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Archiv-Artikel

DER PREIS FÜR DEN SUBVENTIONSABBAU IST ZU HOCH Rasenmäher gestalten nicht

Tut nicht weh, tut gar nicht weh. So rücksichtsvoll kannte man Peer Steinbrück und Roland Koch bisher nicht. Aber bei der Vorstellung dessen, was sie – nur keine falsche Bescheidenheit! – als „das größte Programm zum Subventionsabbau in der deutschen Geschichte“ bezeichnen, zeigten sich die beiden Ministerpräsidenten ungewohnt feinfühlig. Worin besteht nämlich dieses größte aller Programme? Zum Beispiel aus der Kürzung der Pendlerpauschale für Kurzstrecken um einen Cent. Toll! Und um die schrittweise Absenkung der Eigenheimzulage für Altbauten um 153 Euro. Wahnsinn! So leicht lässt sich Deutschland aus der Krise führen? Wenn das keine gute Nachricht ist.

Hätte es sich nicht parteiübergreifend eingebürgert, jede noch so marginale Gesetzesänderung gleich als Jahrhundertwerk zu feiern, dann gäbe es keinen Anlass zur Ironie. Denn Koch und Steinbrück können durchaus etwas vorweisen: Um immerhin 15,8 Milliarden Euro sollen die Haushalte in den nächsten drei Jahren entlastet werden. Das finanziert zwar noch nicht die vorgezogene Steuerreform der Bundesregierung, aber die Ministerpräsidenten hatten schließlich nicht behauptet, Wunder vollbringen und über das Wasser wandeln zu können. Und es ist immerhin ein Anfang.

Aber der Preis, der dafür gezahlt werden muss, ist hoch. Zu hoch. Wenn sich so unterschiedliche Leute wie Peer Steinbrück, Roland Koch, Erwin Teufel, Heide Simonis und Christian Wulff gemeinsam über Vorschläge zum Subventionsabbau freuen, dann ist Misstrauen angebracht – die Politik ist das falsche Spielfeld für Sexualpraktiken wie Kuschelsex. Kürzungen nach der Rasenmähermethode berauben Parteien und Politiker jeder Gestaltungsmöglichkeit. Sie werden aber dafür gewählt, dass sie gestalten. Oder zumindest sollten sie dafür gewählt werden.

Ist das ein allzu idealistisches Bild, weil sich ja gezeigt hat, dass allenfalls der kleinste gemeinsame Nenner durchsetzbar ist? Ja, gegenwärtig schon. Deshalb müssen die Kompetenzen von Bund und Ländern endlich entflochten werden. Gebraucht werden jetzt nicht viele weitere Jahrhundertwerke, sondern ernsthafte Reformen des föderalistischen Einheitsbreis. BETTINA GAUS