DER MACHTKAMPF DER SPD HAT SICH NACH HESSEN VERLAGERT : Ungünstige Kosten-Nutzen-Rechnung
Die SPD ist das bizarre Beispiel für eine Partei, in der selbst klare Beschlüsse nichts klären. So befand der Parteirat am Montag, dass jeder Landesverband allein entscheiden darf, ob er sich für die Linkspartei öffnet. Partei-Chef Kurt Beck wurde also gestärkt, seine Kritiker Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück geschwächt. Eindeutig, so scheint es, wurde da ein Machtkampf gewonnen. Tatsächlich jedoch hat sich der SPD-Richtungsstreit nur verlagert. Jetzt tobt er nicht mehr in der Parteizentrale, sondern in Hessen.
Dort stellt sich die brisante Frage, ob SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti es wagen soll, im Landtag gegen CDU-Ministerpräsident Roland Koch anzutreten. Denn die Wahl ist geheim und Verrat nicht auszuschließen: Einige SPD-Genossen könnten gegen Ypsilanti stimmen, um eine linke Tolerierung zu verhindern. Gemeuchelt von der eigenen Fraktion – nach dieser Blamage wäre nicht nur Ypsilanti erledigt, sondern auch Beck.
Trotzdem wird die SPD nicht umhinkommen, dass sich Ypsilanti zur Wahl stellt. Was, bitte schön, wäre denn die Alternative? Diese strategische Frage ist außerordentlich naheliegend, aber bisher haben sich die selbsternannten Chefstrategen Steinbrück und Steinmeier nie dazu geäußert. Jedenfalls sieht es nicht so aus, als würde sich die FDP zu einer Ampelkoalition hergeben. Und auch Roland Koch scheint nicht gewillt, freiwillig seinen Posten zu räumen, um eine große Koalition zu ermöglichen. Im Gegenteil: Je länger das Spektakel in der SPD währt, desto erfreulicher für die Union.
Den SPD-Rebellen gegen Ypsilanti wird nachgesagt, dass sie kalkulierten, Parteichef Beck mit zu beschädigen. Nach dem Motto: Dann wird Steinmeier Kanzlerkandidat. Diese Rechnung enthält jedoch viele Unwägbarkeiten – eine heißt Klaus Wowereit. Es ist jedenfalls nicht ausgemacht, dass sich Steinmeier als Kanzlerkandidat auf einem SPD-Parteitag durchsetzte, sobald nur Beck erledigt ist. Die Kosten-Nutzen-Rechnung ist ungünstig für die SPD-Rechten: Sie können ihrer Partei in Hessen enorm schaden, aber ein Machtkampf lässt sich dort nicht gewinnen. ULRIKE HERRMANN