DER CRASHKURS ZUR WTO : Die Mutter allen Freihandels
■ Handelsabkommen – Moment mal, gab es denn für so was nicht mal die Welthandelsorganisation (WTO)?
Die WTO ist es doch, die weltweit für niedrigere Zölle, freieren Handel und einheitliche Regeln sorgen soll. Die EU und die USA tun jedoch so, als ob es das alles nicht gäbe, und setzen sich nur zu zweit an einen Tisch, um ihr eigenes Freihandelsabkommen auszubaldowern.
Die WTO ist außen vor – und das übrigens nicht nur im Fall von USA und EU. Auch sonst werden seit Jahren zahlreiche Handelsabkommen nur mehr auf bilateraler Ebene geschlossen, so zum Beispiel erst unlängst zwischen der EU und Kolumbien sowie Peru. Der Grund dafür ist, dass sich multilateral auf Ebene der WTO schon seit Jahren nichts mehr bewegt.
Die WTO war 1995 aus dem nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossenen internationalen Handelsabkommen Gatt (General Agreement on Tariffs and Trade) hervorgegangen. Das Gatt hatte bereits eine kräftige Senkung aller Zölle und damit die billigere Einfuhr von Waren aus dem Ausland erreicht. In mehreren Verhandlungsrunden in der WTO kamen dann noch weitere Handelserleichterungen hinzu, etwa für grenzüberschreitende Dienstleistungen und Agrargüter, außerdem auch ein Schutz von geistigem Eigentum.
Der große Wurf sollte dann die 2001 in Doha begonnene „Entwicklungsrunde“ der WTO sein, in der es zudem auch um Investitionen, Wettbewerbsregeln und öffentliche Auftragsvergabe ging. Vor fünf Jahren aber platzten die Verhandlungen. Die Entwicklungsländer stellten sich quer. Sie wollten nicht länger zulassen, dass Konzerne aus dem Norden ihre heimische Wirtschaft plattmachen. Sie forderten insbesondere Schutzklauseln für ihre eigenen Märkte und zugleich leichteren Zugang zu den Märkten der reichen Länder.
Bis heute wurde kein Kompromiss gefunden. Warum auch? Die Industrieländer wichen dem Konflikt einfach aus, indem sie ihre Interessen in bilateralen Freihandelsabkommen durchsetzen. Oft genug zulasten der schwächeren Verhandlungspartner im Süden.
NICOLA LIEBERT