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Archiv-Artikel

DER BILDUNGSBERICHT BELEGT DIE UNFÄHIGKEIT DER KULTUSMINISTER Politik der leeren Köpfe

Als wäre es nicht schon schlimm genug, sprach die hessische Ministerin Karin Wolff (CDU) die volle Wahrheit auch noch aus. Sie warnte vor zu hohen Erwartungen bei einer Verbesserung des deutschen Bildungssystems. Sehr witzig. Denn genau darin liegt ja das Problem: Niemand in diesem Land hegt noch überzogene Erwartungen an die Konferenz der Kultusminister.

Gestern bekamen es die 16 Ressortchefs, deren ideologischer Dauerclinch seit Jahrzehnten den Ruin des Schulsystems befördert, mal wieder schwarz auf weiß bescheinigt – im ersten bundesweiten „Bildungsbericht“, den sie selbst in Auftrag gaben. Dort können sie einmal mehr all jene Mängel nachlesen, die seit dem Schock der Pisa-Studie vor einigen Jahren hinlänglich bekannt sind.

Aber mit ihrer Ignoranz steht die Politik nicht alleine. Auch in der breiteren Öffentlichkeit wird die bildungspolitische Vernunft zwischen den Fronten von gestern zerrieben. Die Konservativen glauben, man müsse unbegabte Schüler einfach nur viel schärfer aussortieren – dabei haben wir heute schon zu wenig Hochschulabsolventen. Die Linken hängen nach wie vor einer romantischen Kuschelpädagogik an, die das Wort Leistung perhorresziert – ohne auch nur zu bemerken, dass sie damit vor allem Kindern aus bildungsfernen Schichten den sozialen Aufstieg verbarrikadieren, denn die Söhnchen und Töchterchen der Akademiker schaffen das Abitur auch so.

Die Gefechtslage erinnert an den Streit über die Sozialreformen, wo sich lange Zeit ebenfalls ideologische Neoliberale und bornierte Sozialkonservative gegenüberstanden. Der Unterschied: Bei Rente, Gesundheit oder Arbeitsmarkt geraten die Dinge allmählich in Bewegung – weil man leere Kassen schlicht und einfach nicht ignorieren kann.

Leere Köpfe dagegen machen sich nicht so schnell bemerkbar, und sie sind mit Geld allein auch nicht zu füllen. Mehr Geld vom Bund: Das ist der einzige Wunsch, auf den sich die 16 schulpolitischen Schrebergärtner verständigen können. Man sollte ihn tunlichst nicht erfüllen. Solange der Wille zu einer wahren Kulturrevolution im deutschen Bildungswesen nicht vorhanden ist, solange Lehrer ihren Beruf als Halbtagsjob begreifen und die fällige Professionalisierung verweigern, wäre jeder zusätzlich Euro nur verschenkt.

Nur eines haben die deutschen Bildungspolitiker wirklich nicht mehr: Zeit. Wenn sich das Vakuum in den Köpfen erst einmal bemerkbar macht, dann ist es bereits zu spät. Deshalb ist der Ratschlag der Ministerin so fatal, das Publikum möge doch bitte Geduld haben. RALPH BOLLMANN