DER ANC LEBT IN SÜDAFRIKA VON SEINEM KREDIT ALS FREIHEITSBRINGER : Ohne Konkurrenz
Die erstmalig in der jungen Demokratie Südafrikas errungene Zweidrittelmehrheit des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) zementiert die überragende Macht der Regierungspartei für die nächsten fünf Jahre. Es ist nicht überraschend, dass sich bei der schwarzen Mehrheit des Landes trotz erheblicher Frustration über steigende Arbeitslosigkeit und Armut die meisten Wähler loyal zur ehemaligen Befreiungsbewegung zeigten. Der ANC lebt von seinem Kredit als Freiheitsbringer vor zehn Jahren, auch wenn der Glanz verblasst. Das Wahlergebnis ist von emotionalen und ideologischen Stimmen getragen.
Das beschert dem ANC eine fast konkurrenzlose Position. Zwar konnte die größte Oppositionspartei, die Demokratische Allianz. leicht zulegen. Sie bleibt jedoch auf ihr weißes, liberales Umfeld beschränkt und hat bisher kein echtes politisches Alternativprogramm vorgelegt. Zudem hat der ANC jetzt die Macht in fast allen Provinzen Südafrikas.
Es kommt nun darauf an, ob es der ANC unter Mbekis zentralistischer und strategischer Führung versteht, den Vertrauensvorschuss seiner Wähler nicht zu enttäuschen, und ob er die notwendigen sozialen Verbesserungen auf den Weg bringen kann. Er hegt keine Illusionen gegenüber den Herausforderungen, stärker einen Wohlfahrtsstaat zu gestalten und wieder die Elemente der Politik zu betonen, die zu Beginn des Wandels vor zehn Jahren die soziale Umverteilung auf den Weg gebracht hat. Das würde auch ein Abweichen von der konservativen Finanzpolitik hin zu mehr Sozialausgaben bedeuten.
Sollte sich aber herausstellen, dass der ANC weiterhin stärker für die Mittelklasse und Elite regiert und die Kluft zwischen Arm und Reich nicht schrumpft, wird bei den nächsten Wahlen der Kredit verspielt sein. Zu einem Bruch mit seinen linken Allianzpartnern wird es wahrscheinlich nicht kommen – sie sind mehr auf den starken Regierungspartner angewiesen als der liberale ANC-Flügel. Das bedeutet für die neue Regierung auch auf längere Sicht freie Fahrt.
MARTINA SCHWIKOWSKI