: DDR-Wirtschaftsdaten unbrauchbar - „Stunde Null“ war der 1. Juli
■ Brauchbare Statistiken über die Wirtschaft Gesamtdeutschlands erst 1991 Für viele der einzelnen Sektoren werden jetzt bundesdeutsche Maßstäbe angelegt
Wiesbaden (dpa/vwd) - Aussagekräftige Daten und brauchbare Statistiken über die wichtigsten wirtschaftlichen Felder eines vereinigten Deutschlands wird es erst 1991 geben. Auch für die Experten im Statistischen Bundesamt in Wiesbaden hat nämlich die „Stunde Null“ erst mit der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Juli begonnen.
Zahlen mit dem Makel
der Schönfärberei
Auch den jüngsten von den Ostberliner Kollegen veröffentlichten Zahlen mißtrauen die Wiesbadener Statistiker noch. „Sie basieren alle auf der alten Zentralwirtschaft“, lautet das Fazit von Präsident Egon Hölder und seiner „Arbeitsgemeinschaft Deutsche Statistik“, die am Donnerstag in Wiesbaden über die Schwierigkeiten der statistischen Vereinigung berichtete. Für die Sektoren Arbeitsmarkt, Preise, Produktion, Umsätze, Außenwirtschaft und Einzelhandel werden deshalb künftig die bundesdeutschen Maßstäbe (laut Staatsvertrag) gelten.
Während bei der Bevölkerung und vielen anderen statistischen Feldern nur eine Angleichung der Methoden notwendig ist, sieht es im Wirtschaftsbereich düster aus. „Die Statistik diente der Kommandowirtschaft für die Planung und Kontrolle“, betonte Oswald Angermann als Chef der Arbeitsgruppe mit Sitz in Berlin. Eine Finanz- und Haushaltsstatistik existierte nicht, der Wohnungsbestand ist weitgehend unbekannt, ebenso Fakten über Verkehr, Landwirtschaft und Handel. Völlig neu muß auch die aufwendige Preisstatistik eingeführt werden.
Aufgrund des schlechten Ansehens der Statistiker als Kontrolleure bei der Planerfüllung müssen die Experten nun kräftig um Vertrauen werben, damit vor allem die kleinen und neugegründeten Betriebe ihre Daten weitergeben, erklärte Hölder. Viele Daten sind nicht vorhanden, weil Wirtschaftsminister Günter Mittag in den 70er Jahren die Veröffentlichung der monatlichen Periodika „Wirtschaft und Statistik“ einstellen ließ. Dies übernahmen die einzelnen Ministerien nach dem Motto: „Die guten (Informationen) ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.“
Wenn mit der Einigung das Statistische Amt der DDR der Wiesbadener Zentralbehörde unterstellt und in fünf Landesämter plus Berlin dem westlichen Organistionsprinzip angepaßt sein wird, sollen im Laufe des kommenden Jahres die ersten gemeinsamen Statistiken für Preise und Löhne herausgegeben werden. Für die Außenwirtschaft dürften schon vorher gemeinsame Zahlen vorliegen.
Für eine Übergangsphase sollen zunächst die Daten für das Gebiet der BRD, der DDR und von Gesamtdeutschland aufbereitet werden. Aussagekräftige Interpretationen sind jedoch erst vom Juli 1991 an möglich. Erst dann ist die Veränderung zum Vorjahr auf D-Mark-Basis zu ermitteln. Dann wird auch für die „Zähler der Nation“ die schwierige Umstellung vom DDR-Warenangebot auf Westartikel und -währung ausgestanden sein. Für beide Landesteile soll deshalb 1991 das voraussichtliche Basisjahr für die Ermittlung des Preisindex für die Lebenshaltung mit einem entsprechend aufbereiten Warenkorb sein.
Ende August wird bereits der erste Preisindex (für Juli) nach der Währungsumstellung für die DDR erwartet.
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