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Archiv-Artikel

DAX ÜBER 4.700 PUNKTE: KEIN GRUND ZUR ZUFRIEDENHEIT Optimisten auf der Blase

Geht es Deutschland besser? Gestern kletterte der deutsche Aktienindex DAX auf 4.700 Punkte. Der Kurs dürfte zwar wieder ein wenig einbrechen, weil einige Anleger ihre Aktien Gewinn bringend veräußern werden. Doch die Analysten bleiben optimistisch; sie trauen dem Index auch 4.900 Punkte zu. Zum Vergleich: Im vergangenen August lag der DAX noch bei 3.600 Punkten.

Dieser Höhenflug wirkt erstaunlich. Denn die Firmengewinne sind nicht um durchschnittlich 30 Prozent gestiegen – und die deutsche Wirtschaft schwächelt bei einem Plus von einem Prozent. Der Verdacht liegt nah, dass sich auf dem Aktienmarkt eine spekulative Blase aufpumpt.

Das sehen viele Anleger und Analysten völlig anders: Sie sind stolz, dass der Terroranschlag in London keine Folgen für die Börsen hatte und auch der steigende Ölpreis so gut verkraftet wird. Zudem verweisen sie auf den fallenden Euro, der die Chancen für deutsche Exporte verbessert. Und schließlich, 4.700 Punkte, was ist das schon: Im New-Economy-Boom übersprang der DAX sogar 8.000 Punkte. Im internationalen Vergleich gelten die deutschen Aktien längst als unterbewertet; US-Papiere sind viel teurer.

Mit einem Unterton von Nationalstolz freuen sich viele, dass Deutschland auf den Aktienmärkten „endlich aufholt“ – als seien die Börsen eine Art Tour de France. Tatsächlich tröstet es gar nicht, dass die Kurse anderswo noch höher liegen. Stattdessen zeigt dies, dass die spekulative Blase das gesamte Weltfinanzsystem erfasst hat. Erst kürzlich hat die Bank für Internationalen Zahlungsverkehr gewarnt, dass weltweit zu viel Kapital unterwegs ist, das nach Anlagemöglichkeiten sucht. Nicht nur die Aktienmärkte laufen heiß – in vielen Ländern explodieren auch die Immobilienpreise.

Das kann so manchen Börsianer nicht erschüttern. Optimismus gehört zum Geschäft. Es ist ein simpler Mechanismus: Spekulationsgewinne sind nur zu erzielen, wenn sich die Aktien bewegen – am besten nach oben. Nichts ist schlimmer als Stagnation. Daher dürfte sich diese Meldung in den nächsten Wochen noch mehrmals wiederholen: „DAX auf neuem Jahreshoch“. Leider ist das ein Problem, kein Grund zum Jubel. ULRIKE HERRMANN