DAVID DENK ÜBER FERNSEHENDAS LUMPENPROLETARIAT DER TV-PRODUKTION LASSEN DIE GROSSKOPFERTEN BEIM FERNSEHPREIS NICHT MAL MEHR AM KATZENTISCH SITZEN : Monikas Mondfahrt
Montag Susanne Klingner Die Farbe lila
Dienstag Martin Unfried Ökösex
Mittwoch Kübra Yücel Das Tuch
Donnerstag Matthias Lohre Männer
Freitag Arno Frank Geräusche
Mit zarten zehn Jahren habe ich auf der Bühne der Mettmanner Stadthalle das Peterchen in „Peterchens Mondfahrt“ gegeben. Mit der Laienspielgruppe „Die Knallfrösche“, bestehend aus Lehrern und Eltern, die die Nähe von Lehrern suchen, bin ich zweimal vor je 600 Zuschauern aufgetreten – die Kritiker waren begeistert und auch ich war ganz zufrieden mit meiner Performance. Umso mehr hat es mich gekränkt, als ich am Abend nach der letzten Vorstellung sehen musste, wie „Die Knallfrösche“, aber auch irgendwelche Leute, die gar keinen Anteil am Erfolg der Inszenierung hatten, im Stadthallenrestaurant ausgelassen feierten. Ohne mich.
Ungefähr so müssen sich Drehbuchautoren, Regisseure, Kameraleute und Ausstatter gefühlt haben, als sie erfahren haben, dass der Deutsche Fernsehpreis 2010 am 9. Oktober ohne sie stattfinden wird. Eine bewusste Entscheidung der Stifter – weniger von ARD und ZDF, die in diesen Disziplinen haushoch überlegen sind, vielmehr von ProSieben, Sat.1 und RTL, die endlich mal ein paar Preise mehr einheimsen wollen. RTL-Chefin Anke Schäferkordt soll angeblich mit dem Ausstieg ihres Senders gedroht haben, wenn das Kategoriensystem nicht „weiterentwickelt“ würde.
„Das Fernsehen sieht heute anders aus als bei Gründung des Preises 1999“, sagte WDR-Intendantin Monika Piel. Da kann man ihr nur zustimmen. „Diese Entwicklung muss der Preis widerspiegeln“ – da eher nicht. Sind fragwürdige TV-Trends wie Scripted Reality wirklich preiswürdig, nur weil die Privatsender ihr Programm derzeit mit solchen Billigformaten fluten? „Die innovativen Programmentwicklungen im Bereich Dokutainment erhalten eine eigene feststehende Kategorie“, verkündeten die Stifter, als wäre das eine gute Nachricht.
Der Eindruck der Marginalisierung der Kreativen, über die sich Branchenverbände daraufhin empörten, wird dadurch verstärkt, dass wohl kaum ein Cutter unter den „rund 1.000 der wichtigsten Fernsehschaffenden“ sein wird, die „an Stelle einer After-Show-Party … nach der Preisverleihung zu einem festlichen Gala-Dinner geladen“ werden. Für Regisseur Dominik Graf droht der Preis endgültig „zu einer Art freischwebender Bonzensause zu werden“. Die Auseinandersetzung um die Reform des Fernsehpreises ist aber lediglich ein Ventil für die Entfremdung zwischen Programmmachern und -verantwortlichen, nur ein Zipfel des eigentlichen Konflikts um steigenden Produktionsdruck bei abnehmender Wertschätzung.
Ein breiter Boykott der Gala, etwa auch von Schauspielern, die sich mit ihren Kollegen solidarisieren, ist trotz des Fruststaus unwahrscheinlich, denn als Freiberufler sind die Kreativen auf Aufträge der Senderverantwortlichen angewiesen. Das ist Macht, die auszuspielen die sich auch nicht scheuen.
Es sei ein Versehen gewesen, dass ich nicht nicht zur Party eingeladen worden sei, beteuerte die „Peterchens Mondfahrt“-Regisseurin damals. Und was sagt WDR-Intendantin Monika Piel zu der Diskussion? „Dass der Deutsche Fernsehpreis Kontroversen auslöst, das gehört dazu“ – Ignoranz offenbar leider auch.