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Archiv-Artikel

DAUMENKINO „Wasser für die Elefanten“

Der schönste Schimmel leidet an Huffäule

Der Titel schwindelt. Francis Lawrence’ Zirkusfilm „Wasser für die Elefanten“ hat nicht mehrere, sondern nur einen einzigen Elefanten zu bieten. Und dieser Elefant sieht zudem nicht mehr ganz frisch aus. Rüssel- und Kopfhaut sind ausgeblichen und von Altersflecken übersät, sein Naturell ist phlegmatisch. Immerhin beherrscht dieser schwerfällige Koloss namens Rosie die polnische Sprache, und in einer Szene stellt er sich sogar kopfüber auf die Vorderbeine.

Wer genügsam ist, dem mag das an Reizen reichen, alle anderen reiben sich verdutzt die Augen: Wie kann ein Film, den es mit seinem Sujet und seinem Casting so sehr zum Spektakel drängt, so wenig Spektakel vorzeigen? Was die Zirkusattraktionen anbelangt, übt sich „Wasser für die Elefanten“ in Bescheidenheit. In einer Szene blicken wir einem zahnlosen Löwen ins fauchende Maul, in einer anderen geht Rosie in der Manege durch, was dazu führt, dass sich Reese Witherspoon als Kunstreiterin Marlena um eine Vorhangstange wickelt. Recht früh im Film lässt Lawrence prächtige Rappen und Schimmel paradieren, was aus weiter Ferne daran erinnert, dass dem Regisseur ein gewisses Talent für Choreografie nicht abzusprechen ist – immerhin hat er schon Lady Gaga samt Entourage im Video zu „Bad Romance“ tanzen lassen. Doch leider leidet der schönste der Schimmel an Huffäule und muss deshalb erschossen werden. Der Gnadentod des Pferdes bereitet Reese Witherspoons Bestreben, es als Blondine und Kunstreiterin mit der Amazone des NS-Melos, Kristina Söderbaum, aufzunehmen, ein jähes Ende.

Was bleibt, sind ein paar Liebeswirren, das 30er-Jahre-Zeitkolorit und die beiden männlichen Stars. Robert Pattinson gibt hier ausnahmsweise keinen Vampir, sondern einen jungen, idealistischen Tierarzt, der sich bald zum Elefantenflüsterer mausert. Christoph Waltz als Zirkusdirektor Rosenbluth importiert den Sadismus seines Obersts Landa aus Tarantinos „Inglorious Basterds“ ohne Umschweife in Lawrence’ Film. Sein Schmauchpfeifchen, das Milchglas und die Freuden der kontrafaktischen Geschichtsschreibung hat er jedoch auf halbem Weg liegen lassen, sodass er hier eben nur eines ist: ein Sadist. Daran möge sich freuen, wer die entsprechende masochistische Neigung mitbringt. CRISTINA NORD

■ „Wasser für die Elefanten“. Regie: Francis Lawrence. Mit Reese Witherspoon, Robert Pattinson, Christoph Waltz u. a. USA 2011, 114 Min.