DAS ZDF SUCHT DEN GRÖSSTEN DEUTSCHEN – DAS IST GAR NICHT SO EINFACH : Immer Ärger mit Österreich
Es ist schon erstaunlich, wie wenig manche Fernsehleute von Geschichte verstehen. Da lief in England eine höchst erfolgreiche Suche nach „Great Britons“, und prompt dachte man sich beim ZDF: Das machen wir auch. Vergessen hat der Sender bei seiner Suche nach dem „größten Deutschen“ allerdings, dass die Geschichte hierzulande etwas verschlungener verlief.
Die Frage, seit wann es überhaupt ein deutsches Nationalbewusstsein gab, gehört zu den umstrittensten Problemen der Geschichtswissenschaft. Das ZDF legt sich auf den frühest möglichen Zeitpunkt fest, die Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955. Das ist gewagt. So werden die Namen auf der Liste immer problematischer, je weiter man zurückgeht. Der Stauferkaiser Friedrich II. beispielsweise sprach kaum deutsch und verbrachte den größten Teil seines Lebens in Süditalien – also sogar außerhalb jenes Heiligen Römischen Reiches, dessen Kaiser er nominell noch war.
Ziemlich einfach liegt der Fall des Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart, der jetzt den österreichischen Botschafter auf den Plan rief. Schließlich gehörte Salzburg noch nicht zu Österreich, als Mozart dort geboren wurde. Erst den späteren Wahl-Wiener darf die Alpenrepublik vereinnahmen – allerdings nicht alleine, denn in der Donaumetropole residierte damals der deutsche Kaiser.
Viel eher könnte sich der Botschafter über die Nennung des Nervenarztes Sigmund Freud beschweren. Der gebürtige Mähre wirkte von 1886 bis 1938 in Wien. Zu jener Zeit betrachteten sich die meisten Österreicher zwar noch selbst als Deutsche. Faktisch war die Entscheidung, dass beide Länder getrennte Wege gehen, aber schon 1866 mit dem preußischen Sieg bei Königgrätz gefallen. Seit der gemeinsamen Niederlage von 1945 wird das auch in der Alpenrepublik so gesehen.
Dieses Verdienst gebührt einem „Führer und Reichskanzler“ namens Adolf Hitler. Dass er Österreicher war, wird selbst der vorlaute Botschafter nicht bezweifeln. Aber „Massenmörder und Kriminelle“ hat das ZDF ohnehin von der Liste verbannt.
RALPH BOLLMANN