DAS WETTER IST SO EINE SACHE, WENN MAN AUS DEM URLAUB KOMMT. DEN NORDDEUTSCHEN STÖRT DAS NICHT : Kolumne im Sommerloch
KATRIN SEDDIG
Es ist August, also Sommer, und im Sommer darf man auch mal was über das Wetter sagen. Auch in der Zeitung. Damit die Leser sagen können: „Sommerloch.“ Das sagen die Leser zwar zu fast allen Themen von Juni bis Oktober, die sie selbst nicht für wichtig halten, und wenn es noch nicht Juni bis Oktober ist, fragen sie ganz vorwitzig: „Ist das schon das Sommerloch?“, aber jetzt ist ja wirklich Sommer und da kann man dann das Sommerloch ganz regulär bedienen, sogar regional, und kann über das Wetter schreiben.
Das Wetter ist so eine Sache, wenn man aus dem Urlaub kommt, wenn man sich wundert, wenn es einem fast so vorkommt, als würde man frieren, aber das kann doch nur ein Irrtum sein, es ist August, niemand friert doch im August. Man muss nur ausschlafen und sich eingewöhnen. Man kocht sich einen Kaffee und dann einen Tee. Man sieht erst mal fern, im Bett. Dann schläft man sich aus und dann ist es morgens immer noch recht kalt. Zum Beispiel in Hamburg. Man googelt das Wetter, um sich zu überzeugen. Man ist ernüchtert. Tageshöchsttemperatur 16 Grad, prophezeit eine Seite, eine andere liebäugelt mit 17 Grad. Man seufzt. Man wartet die Nachrichten ab. „Tief Wilma“ heißt das Wetter. Man hört Sachen wie: Regenradar, Unwetterwarnung, keine Besserung in Sicht, Starkregen, Sturmböen.
Der Norddeutsche in einem nickt. Der Norddeutsche fühlt sich gar nicht mal so unwohl mit diesen Begriffen.
Der Norddeutsche hat einen Friesennerz und ist nicht von Pappe. Fast ist der Norddeutsche stolz auf sein Wetter. Der Hamburger ist auf jeden Fall stolz auf sein Wetter, besonders wenn es regnet. Wenn es regnet, geht der Hamburger mit dem Besuch an den Hafen, schaut auf das düster verhangene Panorama mit den Kränen und den Lichtern und sagt: „So is dat nun.“ Oder er sagt: „Da kannst du nix machen.“ Oder auch: „Wat mutt, dat mutt.“ Letzteres lässt sich auch über den Harndrang sagen.
Und dann fängt die Schule wieder an. Die Arbeit. Das Büro. Da ist es geradezu ein Segen, wenn das Wetter so ist. So harsch. So ernüchternd. Damit wir alle auch gleich wach sind. Der Herbst steht vor der Tür. Nächsten Monat geht der Advent los. Da kommen die Nikoläuse in den Lidl. Grillen ist vorbei. Nächtelang rumknutschen auch.
Wir sind hier ja nicht in Italien oder Spanien, an der Adria, in der Südsee und erst recht auch nicht auf den Bermudas. Wir müssen uns Schuhe anziehen und Mäntel und morgens im Dunkeln zu unserer Arbeit gehen. Dafür sind wir hier gemacht, das sitzt uns genetisch in unserem Körper drin.
Nur so ist der Norddeutsche zufrieden und findet zu seiner eigentlichen Bestimmung und angemessenen Haltung zurück. Der Norddeutsche muss nicht lächeln und auch nicht schwatzen. In Norddeutschland gibt es Landstriche, wo am Tag nur ein Satz gesagt wird. Oder auch nur mal kurz genickt wird, wenn der Nachbar vorbeigeht. In Dithmarschen vielleicht? Ich weiß es nicht so genau. Ich bin mir nicht sicher. Der Norddeutsche mag das aber so.
Das liegt daran, dass er im Regen den Mund halten muss. Im Sturm ist es auch besser. Wenn in Norddeutschland kurz mal Hochsommer und Hitze ist, dann ist der Norddeutsche quasi nicht mehr er selbst. Der Hamburger rennt an die Elbe und die Alster und hängt dort grillend und trinkend herum, bis der Morgen kommt. Als wäre er im Süden. Und hat dann Geschlechtsverkehr für den Rest des Jahres mit.
Aber damit ist jetzt erst mal Schluss. Alles wird wieder normal. Und kalt. Und dunkel. Wir können alle wieder wir selbst werden. Arbeiten gehen. Murren. Durchhalten. Wie es muss. Falls einer fragt: Ja, diese Kolumne können Sie mit „Sommerloch“ beschimpfen. Und die Autorin hat nichts Besseres zu tun und auch sonst nichts zum Drüberschreiben gefunden. Alles richtig.Katrin Seddig ist Schriftstellerin und lebt in Hamburg, ihr jüngstes Buch, „Eheroman“, erschien 2012 bei Rowohlt. Ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen.