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Archiv-Artikel

DAS ENTSCHEIDENDE DETAIL Der tote Mann und das Meer

SEEBESTATTUNG Propheten, Gurus, Heilsversprecher – sie alle teilt das Wasser. In Helden und Schurken. Nun wird die Asche von Rudolf Heß auf hoher See verstreut

Nun kommt er also ins Meer, Rudolf Heß, Held vieler Neonazis und deren Projektionsfläche für einen angeblich besseren Nationalsozialismus. Seine Gebeine werden in den Fluten versinken, so wie die eines gewissen Osama bin Laden kurz zuvor.

Weiter als das Meer ist nur noch das All. Wasser bedeckt fast die ganze Erde und ist uns Metapher für Weite, Launenhaftigkeit und alles, was wir nicht zu ergründen mögen. „Das Meer ist nur ein Behälter für alle die ungeheuren, übernatürlichen Dinge, die darin existieren“, schreibt Jules Verne und verleiht damit unserer Verehrung und unserer Angst, die früher finstere Götter wie den griechischen Dreizackpolterer Poseidon oder den ägyptischen Krokodilkopf Sobek gebar, freundlich moderne Gestalt: „Es ist nicht nur Bewegung und Liebe; es ist die lebende Unendlichkeit.“

Wer diese Urgewalt besiegte oder ihr entkam, der hatte es zumindest bei uns im christlich-jüdischen Kosmos als Held geschafft. Moses entkam seinem Tode in einem Korb auf dem Nil, Jesus wandelte über das Wasser und beruhigte sowohl seine Jünger als auch die Wellen, vor denen sie sich fürchteten, und Jona wurde ebenfalls vom Wal wieder ausgespuckt, nachdem er seine Angst vor den Sündern in Ninive besiegt hatte. Oder „Willow“, einer der einflussreichsten Fantasyfilme von 1988, kommt nicht ohne ein Königskind aus, das nur überlebt, weil es auf dem Wasser ausgesetzt wird. Und später natürlich die Welt rettet.

Im Umkehrschluss ließe sich wohl sagen, dass die Botschaft an diejenigen, die an Heß und bin Laden als Messiasfiguren glauben wollen, deutlich ist: Der erfolgreiche Prophet wird das Wasser überwinden, der unterlegene muss in ihm verschwinden.DANIEL SCHULZ

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