DAS DING, DAS KOMMT : Sound of Spermüll
Der LAUTSPRECHER wird in Oldenburg und Bremen aus der Tonne geholt – und zentraler Bestandteil eines großen Orchesters
„Wir nennen es einfach Rolo“, sagt Erwin Eggers. Gemeinsam mit einer Gruppe von SchülerInnen der Berufsfachschule für Mechatronik an der BBS Rotenburg hat er das Rotenburger Lautsprecher-Orchester gebaut: aus über 300 Lautsprecherboxen und rund 25 Verstärkern, die die Bremer Entsorgungsbetriebe aus dem Sperrmüll geholt haben.
Im September begannen die Arbeiten, an vier große Holzsäulen wurden die Boxen montiert und verkabelt. 180 Meter Kantholz, 150 Meter Schalbretter und 1200 Meter Kabel haben die 16 angehenden Mechatroniker und 16 werdenden Zimmerer verbaut. „Das Rundum-sorglos-Paket für die armen Bremer“, scherzt Eggers: Die SchülerInnern sind nicht nur für den Bau zuständig, sondern bei den kommenden Einsätzen des Orchesters auch für Auf- und Abbau und den Transport.
Die Idee kommt allerdings wirklich aus Bremen: Gerd Anders von der Gruppe „Rapid Ear Movement“ hatte bei Eggers angefragt, ob das nicht ein Projekt für seine Schüler sein könnte. Der war begeistert. „Ich mache gern Projekte, die nicht für die Tonne sind.“ Dabei entstanden schon Schneeschuhe und Kinderspielhäuser.
Anders beschreibt den Klang des Lautsprecher-Orchesters als „ganz neue Hörerfahrung“. Die vier Säulen bilden ein Quadrat, was eine Dreidimensionalität erzeugt, die die heimische Hi-fi-Anlage nicht bieten kann. Das „Rolo“ ist schon das zweite Lautsprecher-Orchester in der Region, das erste baute Anders vor zwei Jahren – allerdings aus lediglich 120 Boxen, und transportabel war es auch nicht. Jan von Hasselt, der den Bau mitbetreute, sagt: „Das ist ein völlig neues Orchester, das müssen wir erst kennenlernen.“ Wie beim echten Orchester hat jeder Klangerzeuger seinen eigenen Ton.
Die Idee dazu stammt aus den 1970er-Jahren, da baute Francois Bayle aus über 80 Lautsprechern sein „Acousmonium“ – allerdings aus hochwertigem Zubehör. Bremen setzt ganz bewusst auf Trash. Der französische Komponist Denis Dufour, der auch schon für das Ur-Acousmonium geschrieben hat, war begeistert vom Klang des ersten Bremer Lautsprecher-Orchesters und riet ausdrücklich zur Sperrmüllvariante. Denn je moderner die Lautsprecher, desto homogener klingen sie. Echten Charakter bekommt so ein Orchester durch die Individualität seiner Bestandteile. ANDREAS SCHNELL
■ Sa, 20. 6., ab 19 Uhr, Lange Nacht der Musik, Oldenburg ■ Festival für Elektronische Musik und Anrainerkünste: Sa, 27. 6., 15 Uhr, Hanseatenhof, Bremen