DAS DING, DAS KOMMT : Ausgegraben: das Gold von Gessel
EINE DREIECKPUNZE ist Teil des „Goldhorts von Gessel“, gefunden in der Nähe von Syke
Von solchen Möglichkeiten träumen Archäologen vermutlich schon während des Studiums: Der Bau der nordeuropäischen Erdgasleitung von der Ostsee bis in den Raum Diepholz bot dem niedersächsischen Denkmalschutz die Chance, sich entlang der geplanten Trasse 200 Kilometer weit durchs Land zu graben. Als „goldenen Schnitt durch 11.000 Jahre Geschichte“ feiert ab dem 23. August eine Ausstellung im Landesmuseum Hannover diese Ausgrabung, die zu den größten archäologischen Projekten Europas zählt; und golden ist auch ihr bedeutendstes und spektakulärstes Exponat: Der „Goldhort von Gessel“ – 117 Armreife, Gewandspangen und Ketten, von irgendjemandem im 14. vorchristlichen Jahrhundert aus unbekannten Gründen in einen Sack gesteckt und verbuddelt, knapp dreieinhalb Jahrtausende später wiedergefunden in der Nähe von Syke. Ein Sensationsfund, aus dem Forscher ableiten, dass das verwendete Gold die halbe Welt umrundet hatte.
Der Goldhort gab auch den Impuls für eine weitere Ausstellung, ebenfalls in der Landeshauptstadt, ebenfalls startend am 23. August: Parallel zur Sonderschau im Landesmuseum zeigt die Kestnergesellschaft Kunstwerke, „welche mit edlen Materialien, Reflexion und Ewigkeit auf der einen und mit Illusion, Blendung und Vergänglichkeit auf der anderen Seite spielen“, heißt es in der Ausstellungsbeschreibung. „Der Goldhort zeigt, dass sich die Gleichsetzung von Gold mit Wert durch die Menschheitsgeschichte zieht“, sagt Konstantin Wenzel, Sprecher der Kestnergesellschaft – und mit diesem „Wert“, der im Sinne des Ausstellungstitels manchmal auch nur bloßer „Schein“ ist, befassen sich in der Schau unter anderem Werke von Joseph Beuys, Andreas Gursky oder Damien Hirst.
Aber damit nicht genug vom „Gesseler Goldhort“ – auch in der im Oldenburger Landesmuseum Natur und Mensch laufenden Ausstellung „Raubgräber – Grabräuber“ spielt der Schatz eine Rolle: Als Paradebeispiel für die wissenschaftliche Erschließung einer unberührten Fundstelle, die Bergung des Fundstücks und seine Untersuchung mit Hightech-Gerätschaften, die es ermöglichten, detaillierte Modelle der Preziosen am PC zu erstellen, bevor sie aus ihrem Erdblock herausgemeißelt wurden.
Da aber auch so ein frühgeschichtlicher Superstar wie der „Goldhort von Gessel“ nicht in drei Ausstellungen zugleich präsent sein kann, bleibt es dem Landesmuseum Hannover vorbehalten, das Original zu präsentieren. In Oldenburg wird er von einem 3D-Modell vertreten – und in der Kestnergesellschaft bleibt – der Schein. MAIK NOLTE