DAS DING, DAS KOMMT : Der Idealist und der Pragmatiker
Den KOFFER haben die beiden Emigranten in Sławomir Mrożeks gleichnamigen Theaterstück eigentlich als provisorisches Utensil mit Rückkehr-Option gedacht – und scheitern
Sławomir Mrożek war einer mit schwärzestem Humor. Scharf hat er seit den 50er-Jahren die gesellschaftspolitischen Verhältnisse (nicht nur) seiner polnischen Heimat analysiert und in ironische Erzählungen und Dramen gegossen. Längst gilt Mrożek, der 2013 in Krakau starb, neben Samuel Beckett und Friedrich Dürrenmatt als Klassiker der absurden Komödie. Zu Recht, ist dieses Stilmittel oft die Kopie absurder öffentlicher Begebnisse.
Das gilt auch für die aktuelle europäische Flüchtlingspolitik, und deshalb passt sein Stück „Emigranten“, das jetzt in Bremen gespielt wird, gut in die Landschaft. Verfasst hat Mrożek den Text 1974, als die Mauer noch stand, der Eiserne Vorhang zwischen Ost und West; es herrschte Kalter Krieg. Auch damals gab es Flüchtlingsströme. Mrożek war einer von ihnen: 1968, nach der Niederschlagung des Prager Frühlings, nach dem Einmarsch sowjetischer, ungarischer, bulgarischer und polnischer Soldaten in der freiheitsliebenden damaligen Tschechoslowakei, wollte Mrożek nicht mehr Vorzeige-Intellektueller des polnischen Regimes sein. Er beantragte Asyl in Paris, verbrachte später mehrere Jahre in Mexiko und kehrte erst 1996, Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, nach Polen zurück.
Sein Zwei-Personen-Stück „Emigranten“ verhandelt so differenziert wie komisch, warum Menschen zu Flüchtlingen werden – und das allgemein gültig: Tagespolitische oder gar polenspezifische Bezüge fehlen, sodass das Setting überall spielen könnte. Und das ist deftig: Wie Feuer und Wasser prallen der Intellektuelle AA und der Arbeiter XX aufeinander, als sie sich treffen und über Motive des Auswanderns diskutieren.
Voller Utopien ist der Intellektuelle, voller Pragmatismus – oder Opportunismus? – der Arbeiter: Der eine will Freiheit, der andere Wohlstand, dazwischen scheint es nichts zu geben. Pragmatismus und Idealismus treffen aufeinander, die beiden streiten, schimpfen – und scheitern: Nach Hause zurückzukehren, den Koffer dauerhaft wieder in die Ecke zu stellen – das schafft keiner von ihnen. PS
■ Sa/So, 13./14. 12., 19.30 Uhr, Schwankhalle, Buntentorsteinweg 112, Bremen