: Crash bescherte Wall Street 15.000 Entlassungen
■ Von Yuppies wird Flexibilität verlangt / New Yorks Steuersäckel ärmer
New York (ap) – Rund drei Monate nach dem Börsensturz an Wall Street hat sich die Lage in dem Finanzzentrum noch immer nicht beruhigt. Kurz nach dem „Schwarzen Montag“ war die Schlange der entlassenen Männer und Frauen noch gering. Im Verlauf der vergangenen Monate ist sie aber so lang geworden, daß viele gezwungen sind, ihren Lebensstandard zu ändern und Stellen in anderen Teilen des Landes zu suchen. Für die im unmittelbaren Gefolge des 19.Oktobers Entlassenen war es noch relativ einfach, schnell wieder Fuß zu fassen und eine neue Stelle zu finden. Dieser Markt ist aber inzwischen erschöpft.
Wenn auch Unternehmen nach anfänglichen Massenentlassungen wieder in kleinem Umfang neue Mitarbeiter einstellen, so haben aber nur erfahrene Finanzexperten und Makler die Chance, einen angemessenen Job zu finden. Vor dem Börsensturz lag das Durchschnittseinkommen der in Wall Street arbeitenden Männer und Frauen bei 65.000 Dollar pro Jahr.
Sekretärinnen und Hilfskräfte lagen mit einem Jahreseinkommen von 25.000 bis 30.000 Dollar an der unteren Grenze der Lohnskala. Die Männer und Frauen, die täglich mit Millionenbeträgen jonglierten, verdienten dagegen bis zu 100.000 Dollar und konnten am Jahresende noch einmal mit fetten Prämien rechnen. Verglichen mit den entlassenen Arbeitern in der Stahlindustrie des Landes oder in den Ölfeldern von Texas handelt es sich bei den Börsen- und Finanzexperten in New York um hochqualifizierte Männer und Frauen. Deren größte Sorge besteht nicht in erster Linie darin, eine neue Stelle zu finden, sondern in der Frage nach dem „Wo“ der Stelle und nach deren Bezahlung. Die Gesamtzahl der seit Oktober von Investment-Firmen und großen Banken entlassenen Mitarbeiter beläuft sich der zeit auf rund 15.000. Nach Ansicht von Experten kann die Zahl aber in naher Zukunft weiter steigen. „Wenn sie sich mit einem geringeren Einkommen zufrieden geben, sollte es keine Probleme bei der Suche nach einer neuen Stelle geben“, erklärte Leslie Stern, deren Unternehmen qualifizierten Menschen passende Stellen vermittelt.
Die New Yorker Stadtverwaltung fühlte am Jahresende erstmals das volle Ausmaß des Börsensturzes.
Nach Angaben von Finanzdirektor Paul Dickstein wurden Ende Dezember 32 Millionen Dollar weniger an Steuern kassiert, als geplant waren. Nach seinen Worten wird sich das kaum auf den gegenwärtigen Haushalt auswirken. Für das am 1.Juli beginnende neue Haushaltsjahr sieht Dickstein aber erhebliche Abstriche. „In diesem Jahr werden wir etwa 39.000 weniger Stellen haben“, fügte er hinzu.
Bürgermeister Edward Koch forderte in seinem Jahresbericht eine „Steigerung der Produktion, größere Sparmaßnahmen und reduzierte städtische Leistungen“. „Steuererhöhungen sind auch nicht ausgeschlossen“, sagte der Bürgermeister. Der derzeitige New Yorker Haushalt hat ein Volumen von 22,9 Milliarden Dollar.
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