■ „Copy-Girls“ als Modell für kleine Mädchen? „Lieber mit ihnen über Entfremdung reden“ : Auf das Vorbild kann ich verzichten
betr.: „Wenn Frauen das vorher wüssten“ von Susie Reinhardt, taz vom 4. 9. 03
Ich habe es vorher gewusst, und ich beklage mich nicht. Aber das hindert mich nicht daran, weiterhin um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu kämpfen, die meines Erachtens nicht darin besteht, dass die Kinder von Montag bis Freitag möglichst gleich in der Krippe oder im Hort übernachten, sondern darin, dass die Reproduktionsarbeit als zweite Säule dieser Gesellschaft für Männer und Frauen angemessen berücksichtigt wird. Das heißt, dass die bodenlosen Anforderungen im Job verringert und die Leistungen im Reproduktionsbereich angerechnet werden.
Das erscheint momentan, zugegeben, utopisch. Aber auf eine Susie Reinhardt, als meine Mitbewohnerin, die meiner Tochter vormachen will, wie toll und erfolgreich Frau als Kinderlose leben kann, statt mir als viel beschäftigter Mutter unter die Arme zu greifen, auf eine solche Zicke kann ich locker verzichten. Außerdem: Wer sagt denn, dass Streiten per se schlecht ist?! Ist Frau Reinhardt vielleicht konfliktscheu? Auf das Vorbild kann ich ebenfalls verzichten. Und weshalb glaubt sie, sich rechtfertigen zu müssen? Die Kinderlosen sollen von mir aus auf ihre Art selig werden, aber bitte nicht um den Preis, dass sie unser Leben schlecht und dadurch unseren Job noch schwerer machen, indem sie andeuten, wir seien quasi selber schuld.
Kinder zu haben, ist eine persönliche Entscheidung, und ich betrachte diese Erfahrung als mit nichts vergleichbar und unbezahlbar. Aber genauso wie einer privaten Partnerschaft gleichzeitig eine gesellschaftliche Aufgabe zukommt, ist es mit der Pflege des Nachwuchses. Jede Erwachsenengeneration muss gleichzeitig für die Kinder und die Alten sorgen, worauf Ulrike Herrmann neulich ganz richtig in einer Kolumne an dieser Stelle hingewiesen hat. Dieses Faktum im Selbstverständnis der Gesellschaft zu verankern und entsprechend in die ökonomische Planung mit einzubauen, darin besteht die Aufgabe, dafür wünsche ich mir MitstreiterInnen, weder für eine erneute Verklärung noch für eine Denunzierung der Mutterschaft. INGER DETLEFSEN, Bremen
Die Inhumanität auch unserer Gesellschaft erweist sich daran, wie sie mit ihren schwächsten Gliedern, den Kindern, umgeht. Susie Reinhardt zeigt sich als Exponentin der westlichen „Ideologie des Habens“, deren Ziel es ist, ein möglichst großes Stück des gesellschaftlichen Kuchens zu ergattern. Gerüstet für den Verteilungskampf der Geschlechter, unter dem Bann der Rechte der Frau, den Mann als Gegner oder Konkurrenten fest im Visier, hat sie keinen Blick übrig für das Wohlergehen des Kindes, dessen Rechte von ihr mit keinem Wort erwähnt werden! Die Entwicklung des Kindes wird schwer beschädigt, wenn es von Eltern unserer Gesellschaft wie von Reinhardt gesehen wird: als „Bremsklotz“, das einen „Gantztagssitter“ oder Vater im Erziehungsurlaub brauchen würde, damit nicht so viel Kinderbetreuungszeit an der Mutter hängen bleibe. […]
Was die Autorin vielleicht in ihrem Leben nicht erfahren hat, ist eine menschlichere Lebensform, eine „Welt des Seins“. Kinder können uns darin unterrichten, nicht „Powerfrauen“ wie die Autorin, die erwartet, dass Kinder bewundernd zu ihr aufblicken! Im Leben mit Kindern zählen nicht zuerst der Besitz an Geld, Beruf, Status oder Zeit, sondern das Miteinander-Leben, das Verbinden und das Miteinander-Teilen. Und vielleicht auch die gemeinsame Solidarität, diese Werte im Widerstand gegen die gesellschaftlichen Leitbilder und Zwänge zu verteidigen. Wir brauchen in unserer Gesellschaft zwar auch mehr Kinderbetreuungsplätze, vor allem aber die Bereitschaft, unser Leben mit all seinen Gütern mehr mit den Kindern zu teilen. JOACHIM V. LUXBURG, Königsbrunn
Wenn einer Mutter ohne Beruf das Selbstbewussten flöten geht und sich dieses erst durch Berufstätigkeit einstellt, hat sie nie Selbstbewusstsein gehabt, sondern nur ein falsches Bewusstsein.
Schauen wir uns doch die berufstätigen Frauen an: Wer kennt sie nicht, die uniformierten Heerscharen von Bürodamen. Ohne den „ Business Einheitslook-Look“ mit Make-up und Haartönung trauen sie sich nicht an die Arbeit. Erklimmen sie gar die Leiter des Erfolgs, braucht ihr schwaches Selbstbewusstsein Statussymbole (noch teurere Garderobe , noch größeres Auto, Weltreisen etc.). Dafür arbeitet Powerfrau 60 Stunden die Woche. Hard work, hard play! Gesundheits- und Umweltbewusstsein lassen derartige Kompensationszwänge nicht zu. Als „Berufsfinale“ stellt sich der Herzinfarkt bei den Frauen inzwischen schon ebenso häufig ein wie bei den Männern.
Der Gang der Frauen durch die Chefetagen hat das Wirtschaftsleben kaum geändert. Überproduktion und Profitorientierung stellen sie nicht in Frage. Sie sind Rädchen im Getriebe wie die Männer bisher und bringen auch dieselben persönlichen Opfer dafür: Verzicht auf Zusammensein mit der Familie, Verzicht auf Kinder, Einsamkeit der Führungspersönlichkeit bis hin zur dauerhaften Beziehungsunfähigkeit.
Lebt Powerfrau denn nicht in gleichberechtigten Partnerschaften? Sie leistet sich eine Putzfrau, selbstverständlich schlecht bezahlt, ohne Sozialversicherungsbeiträge und ohne Kündigungsschutz. Durch die Ausbeutung der Haushaltshilfen bleibt der Konflikt um Hausarbeit mit dem Partner ausgespart. Das Thema „am Herd stehen“ wird ausgeblendet, indem frau und Partner von Fertiggerichten oder Restaurantessen leben, das Risiko einer späteren Krebserkrankung durch diese Ernährung aber wahrscheinlich eingeblendet. Der Verzicht auf Kinder lässt sicherlich viele Auseinandersetzungen mit dem Partner gar nicht erst aufkommen, führt aber vielleicht das eigene Frausein ad absurdum. Mit gleichberechtigter Partnerschaft hat das Vermeiden von Rollenkonflikten nichts zu tun, eher mit einem Leben aus zweiter Hand.
Und solche „Copy-Girls“ sollen wir den kleinen Mädchen als Modell empfehlen? Wir wollen lieber mit ihnen über Entfremdung reden. ARIANE BARRIE, Bocholt
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.