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Christiane Ensslin: „Sie hat keine Zweifel, keine Skrupel“

Alice hat ein ganz schlichtes Gemüt. Keine Zweifel und keine Skrupel. Sie kann Zusammenhänge so vereinfachen, daß es von jedermann verstanden werden kann, aber der Sache selbst nicht gerecht wird. Ich glaube, das ist ein Schlüssel zu ihrem Erfolg.

Ich kenne sie seit 1976. Damals habe ich gehört, daß Alice in Köln ihre Zeitung machen will, und ich habe mich beworben. Wir waren eine größere Gruppe, erst ab dem Erscheinen der ersten Nummer im Januar '77 gab es ein festes Redaktionsteam von vier Frauen. Bei der Vorbereitung zu den ersten Nummern haben wir rund um die Uhr gearbeitet. Die Atmosphäre war sehr intim, mit gemeinsamem Kochen und Essen. Wir hatten eine schöne Zeit, die ersten Monate. Den großen Erfolg der ersten Nummer haben wir mit Hummerschlemmen in Brüssel gefeiert.

Anschließend wurde die Atmosphäre zunehmend angespannter. Was ich mir dann im Laufe der Monate von Alice hab' gefallen lassen, hätt' ich mir von keinem Mann bieten lassen. Sie hat uns gegeneinander ausgespielt. Heute denke ich, ich hätte sie am Kragen packen und in die Ecke schleudern müssen. Damals hab ich mich dem Gruppendruck gebeugt.

Bei allen Gründerfrauen war Konsens, daß ein Gewinn aus Emma Frauenprojekten zufließen sollte. Während eines Urlaubs von Alice hatten wir Frauen beschlossen, diese finanzielle Angelegenheit endlich vertraglich festzulegen. Nach einer monatelangen Hinhaltetaktik hat Alice schließlich erklärt, daß sie das nicht wolle. Die ganze Redaktion hat sich dann verabschiedet. Ich glaube, da haben wir, die erste Emma-Generation, versagt. Wir hätten versuchen müssen, sie finanziell zu entmachten.

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