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Archiv-Artikel

Christian Buss Der Wochenendkrimi Mystery im Ammerland

Man wird das Gefühl nicht los, man sei hier in einen Film von Hollywoods Mystery-Mogul M. Night Shyamalan geraten. Wie die Dorfgemeinschaft im Horrorthriller „The Village“ wirkt auch die im neuen „Tatort“ völlig entrückt in Zeit und Raum. Jeder scheint hier mit jedem verbandelt, jeder scheint Teil eines großen Geheimnisses zu sein. Der Wind rauscht über die Kornfelder, und manchmal ziehen unsichtbare Wesen tiefe Furchen durchs wogende Gelb.

Die Furche allerdings, die sich vor Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) auftut, wird von einem martialisch quiekenden Wildschwein gezogen, das auf die Kommissarin zuschnellt. Eine alte Wilderin stoppt das Schwein in letzter Sekunde mit einer Ladung Schrot – eine von vielen eher rabiaten Begegnungen Lindholms. Bei einer Tour vom Ammerland nach Hannover war sie einem Mann mit Trenchcoat ausgewichen und gegen einen Baum gefahren. Bewusstlos findet sie Stunden später der örtliche Polizist, vom Trenchcoat aber fehlt jede Spur.

„Vergessene Erinnerung“ (Buch: Dirk Salomon, Thomas Wesskamp) spielt klug mit Suggestion und Manipulation. Während die Kommissarin geschäftstüchtige Biobauern und melancholische Veterinärinnen kennen lernt, steigt sie tief ins Seelenleben der Gemeinde hinab. Dabei jagt Lindholm den undurchsichtigen Einheimischen mehr Angst ein als diese ihr, schließlich sieht sie einer Frau zum Verwechseln ähnlich, die vor vielen Jahren verunglückt ist – genau an der gleichen Stelle.

Regisseurin Christiane Balthasar, eine der Risikofreudigsten ihres Faches, hält geschickt die Balance zwischen Mysteryhorror und Psychothriller. Ihre sedierte und verbeulte Ermittlerin, die sich, wenn nötig, selbst die Spritze ansetzt, macht sich hier auf die Suche nach der verlorenen Zeit. Ein wunderbar verstörender Krimi – der nur leider auch die Logiklöcher eines M. Night Shyamalan aufweist.

Hannover-„Tatort“: „Vergessene Erinnerung“, So., 20.15 Uhr, ARD