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Archiv-Artikel

Checkpoint Charlie Wieder eine Baracke verhüllt

Interesse an lebendig gestalteter Geschichtsaufarbeitung? Dann nichts wie hin zum Checkpoint Charlie. Was sich dort abspielt, ist unterhaltsamer als jede Guido-Knopp-Doku.

Da hätten wir zum einen den Schauspieler Tom Luszeit. Er ist einer von zehn Schauspielschülern, die sich etwas hinzuverdienen, indem sie sich in Vopo-Uniformen pressen und für einen Euro von Touris fotografieren lassen. Dabei posieren sie vor der Wachbaracke auf einem roten Teppich und schauen grimmig. Damit alles seine Ordnung hat, haben sich die falschen Vopos auch eine Genehmigung geholt. Allerdings bekamen sie die nur vom Kreuzberger Bezirksamt – und stehen notgedrungen auf der feindlichen Seite, dem früheren amerikanischen Sektor.

Seit gestern nun hat sich das Motiv allerdings geändert. Die Uniform in geblümtes Klopapier gewickelt, steht Tom Luszeit da und protestiert. Am Abend zuvor hatte die geschäftsführende Vorsitzende des „Museums Haus am Checkpoint Charlie“ Alexandra Hildebrandt die Wachbaracke in Müllsäcke hüllen lassen und seine Geschäftsgrundlage zunichte gemacht.

Der Christo-Verschnitt vermittelt dem Vopo-Auftritt eindeutig das falsche Flair. Dabei ist von der Baracke – die zur DDR-Zeit dort nicht stand – bis zu der Tatsache, dass die Schauspieler auf der falschen Seite stehen, geschichtlich hier fast alles falsch. Es geht ums Prinzip.

Und um Blumen. Der Schauspieler bezeichnet die – ebenfalls verhüllte – Blumendekoration schlichtweg als „Rattenloch“, für das Alexandra Hildebrandt auch noch Geld von ihnen haben wollte. Bis zu 300 Euro am Tag hätte die Witwe für Blumenschmuck ausgegeben – für ihren verstorbenen Mann, nicht etwa für die Opfer des DDR-Regimes, wie er betont. Die Witwe des Museumsgründers hingegen weist die Vorwürfe weit von sich. Sie weiß nicht, woher die Blumen kommen. „Ich lege doch nur manchmal Blumen hin.“

Zwei junge Frauen kleben dem Schauspieler die Dekoration fest. Die Witwe wendet sich angewidert ab: „Schauen Sie doch! Er holt sich die jungen Mädchen von der Straße, die keine Ahnung von der Geschichte haben!“ Nach Geschichtsverfälschung nun also noch Verführung Minderjähriger. Aber es kommt noch dicker. „Das sind Mörder!“, ruft die schwarz gekleidete Witwe und ist den Tränen nahe.

Immerhin sorgt das Spektakel für genügend Aufmerksamkeit und heizt die Debatten erst richtig an – darüber, ob Vopos Mörder sind oder nicht. Der Schauspieler versteht die ganze Aufregung nicht. „Vorm Kolosseum in Rom stehen doch auch Gladiatoren.“ Demnächst sollen alliierte Uniformen her. Wenigstens dieser Teil der Geschichte wäre dann zurechtgerückt. VERONIKA NICKEL