piwik no script img

Archiv-Artikel

CHRISTEL BURGHOFF GENERATION CAMPER Warum sind Wanderführer geschichtslos?

Was denn auf der Gedenkplakette stehe, will mein Mitwanderer wissen. „Immer dasselbe“, sage ich langsam. „Assassinés par les Allemands“ und „1944“. „Von den Deutschen ermordet.“ Hhm. Die Gedenktafeln auf unserer Wanderroute Via Podiensis im Süden Frankreichs erinnern uns daran, dass es hier etwas zu erinnern gibt. Worüber in unseren Wanderführern aber nichts steht. Und auch in Pilgerberichten nichts vorkommt. „Die wievielte Gedenktafel ist das jetzt?“ „Keine Ahnung.“

Im Thermalbadeort Lectoure war mir zum ersten Mal eine kleine Plakette aufgefallen, die an die Toten der Résistance erinnerte. Wir hatten an diesem sonnigen Morgen in der Ferne die Pyrenäen entdeckt – als feine weiße Gipfellinie am Horizont – und sahen nicht weiter hin. Jetzt, in Castelnau sur l’Auvignon, stehen wir direkt vor einer Gedenkstätte, einer Säulenrotunde, und studieren Fotos und Infotafeln. Und können uns einfach nicht vorstellen, dass dieses zauberhafte Dorf in den Midi-Pyrenäen vor einer Generation Schauplatz einer „Schlacht“ war, dass es von Wehrmachtseinheiten in Schutt und Asche gelegt wurde. Blühende Gärten, eine alte Kirche, die Überreste eines Wehrturmes säumen die Gedächtnisstätte. Aber hier stehen die Namen der Toten. Darunter spanische Guerrilleros. Berichtet wird auch von Reginald Starr, einem Offizier der britischen Special Operations Executive, der in dem Dorf zwei Jahre lang sein Quartier hatte und die Résistance mit Waffen versorgte.

Zu Hause machen wir uns mit der jüngeren Historie vertraut. Was nicht schwer ist im Gedenkjahr von D-Day, dem Jahr 1944, als die Alliierten in der Normandie landeten und sich im besetzten Frankreich „Sabotageakte“ des Widerstandes und „Säuberungsaktionen“ von SS und Wehrmacht häuften. Sehr hilfreich: das Infoportal www.gedenkorte-europa.eu. Detailliert klärt es über Hintergründe und die Gedenkorte auf unserer Route durch Frankreich auf. Aber eine Frage beschäftigt uns weiter: Warum sind Wanderführer eigentlich so geschichtslos?