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Burschenschaft"Büge muss sich entscheiden"

Michael Büge kann nicht Staatssekretär und Mitglied der Verbindung Gothia bleiben, meint Lucius Teidelbaum, der sich wissenschaftlich mit dem Thema befasst.

Burschentag auf der Wartburg in Eisenach (Archivbild) Bild: Candy Welz/dapd
Konrad Litschko
Interview von Konrad Litschko

taz: Herr Teidelbaum, Sie beschäftigen sich seit Jahren mit deutschen Studentenverbindungen. Wofür steht heute eine Mitgliedschaft in einer Burschenschaft?

Lucius Teidelbaum: Das kommt auf die Gruppe an, in den allermeisten Fällen aber für sehr konservative Positionen. Burschenschaften formen ihre Mitglieder nach strikten Regeln und Ritualen und dem Prinzip: Gehorche und herrsche. Daraus entsteht ein streng hierarchisches und elitäres Weltbild. Gerade die Gruppen unter dem Dachverband der Deutschen Burschenschaft legen das auch politisch aus, und zwar extrem rechts.

Gerade sorgt die Mitgliedschaft von Sozialstaatssekretär Michael Büge (CDU) bei der Steglitzer Burschenschaft Gothia für Wirbel. Wie problematisch ist das?

Lucius Teidelbaum

28 Jahre, studiert Geschichte in Tübingen. Er beschäftigt sich seit Jahren mit deutschen Studentenverbindungen und hält dazu Vorträge.

Ich finde die Verquickung sehr problematisch. Ein Verantwortlicher, gerade fürs Soziale, der in einer ultrarechten Verbindung mitmacht, bei der stets eine Verachtung der allgemeinen Masse mitschwingt, das ist schwer vereinbar. Und bei der Gothia geht es ja über das Konservative deutlich hinaus.

Wie rechts ist die Gothia?

Auch sie ist Mitglied beim Dachverband Deutsche Burschenschaft, der nach seinem Sondergipfel kürzlich noch weiter nach rechts gerückt ist. Dort gehörte die Gothia bis vor ein paar Tagen sogar zum noch rechteren Flügel der Burschenschaftlichen Gemeinschaft, den SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles mal treffend als völkischen Kampfverband bezeichnet hat. Und der nicht ohne Grund in manchen Ländern vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Aus der Gemeinschaft ist die Gothia laut Büge aber nach dem Treffen ausgetreten.

Nach dem Treffen? Nach dem Trubel um seine Mitgliedschaft würde ich eher sagen. Das riecht doch sehr nach einer Reinigungsaktion, um ihr prominentes Mitglied zu schützen. Denn die Position der Gothia ist klar: weit rechts. Um Nachwuchs zu werben, schaltet sie Anzeigen bei rechten Blättern wie der Jungen Freiheit oder auf dem antimuslimischen Hetzportal „Political Incorrect“. Eine Zeit lang nahm die Gothia am „Heldengedenken“ zum Volkstrauertag am Columbiadamm teil, zusammen mit der NPD. Und noch jüngst trat sie mit einem Stand auf einem neurechten Treff in Berlin auf, dem „Zwischentag“.

Die Gothia sagt, sie habe auch schon liberale Köpfe wie den SPDler Egon Bahr eingeladen.

Mag sein. Genauso referierten dort aber auch Redakteure der Jungen Freiheit oder Leute von der antisemitischen Ludendorffer-Sekte. Das geht so weit, dass die Gothia-Villa heute ein Stützpunkt des „Instituts für Staatspolitik“ ist, einem extrem rechten, antidemokratischen Thinktank. Buchvorstellungen und Verlagsabende fanden dort statt. Das finde ich schon ziemlich bezeichnend.

Bursche Büge

Der Konflikt: Sozialstaatssekretär Michael Büge, auch CDU-Chef in Neukölln, steht wegen seiner Mitgliedschaft in der rechten Burschenschaft Gothia aus Steglitz in der Kritik. Seit 1989 gehört er der Studenten-Verbindung an, heute als "Alter Herr".

Seine Reaktion: Büge distanzierte sich am Wochenende erneut "ausdrücklich von rechtsextremem Gedankengut". "Ich lasse mich nicht in diese Ecke stellen", sagte er. Dies gelte auch für die Gothia, die sich laut Büge "überparteilich" verstehe. Der Burschenschaft sei er wegen des "Freundschaftsverhältnisses" beigetreten. Büge sagte aber, dass er auf einen Austritt der Gothia aus dem Dachverband "Deutsche Burschenschaften" dringe. Sollte dies nicht geschehen, werde er aus der Verbindung austreten. Der Dachverband hatte zuletzt gegen einen liberalen Kurs gestimmt.

Die anderen: Sozialsenator Mario Czaja (CDU) stellt sich hinter Büge. Opposition und Jusos fordern dagegen dessen Rücktritt. Ein Staatssekretär, der sich in "völkischen Dunstkreisen" bewege, sei unhaltbar, so die Jusos. (ko)

Die Gothia weist Rechtsextremismus von sich.

Das sehe ich als Schutzbehauptung. Es ist ja auch die Frage, wie ich rechtsextrem verstehe. Da ist für einige ja selbst die NPD okay, da sie nicht verboten ist. Ich schaue da nach Auffassungen, nach Äußerungen über Minderheiten oder der deutschen Grenzfrage, was extrem rechts ist. Und dazu findet man Fragliches auch bei der Gothia.

Sie waren selbst mal in der Gothia-Villa. Was war Ihr Eindruck?

Das war am 9. November letzten Jahres. Da hatte ein Querfrontler über die Wirtschaftskrise referiert, ein selbst ernannter Marxist mit nationalistischen Ansichten, sehr skurril. Mit seinen Ansichten und seinem elitären Ton, nur er und ein paar andere könnten die Krise überhaupt verstehen, hat er da aber gut reingepasst. Und nachher ging’s an die Theke. Da hing oben ein Straßenschild: Reichssportfeldstraße. Die heutige Flatowallee in Westend, 1936 von Hitler umbenannt. Daneben war ein Werbeplakat für ein Bier aus Namibia, das mit Klischees des deutschen Kolonialismus gespielt hat. Das wirkte alles nicht so distanziert nach rechtsaußen.

Ist die Gothia repräsentativ für die Burschenschaftsszene in Berlin?

Es gibt etwa 45 Studentenverbindungen in der Stadt, nur eine Minderheit davon sind Burschenschaften. Die aber fallen wiederholt durch rechte Mitglieder oder Vorträge auf. Zum Beispiel ist der Chefredakteur des rechtsextremen Hochglanzmagazins Zuerst Mitglied bei den „Märkern“. Und der Studentenbund „Herrmann von Wissmann“ feiert auch schon mal deutsche Kolonialmörder.

Aber sind Burschenschaften nicht längst bedeutungslose Randerscheinungen?

Ihr Einfluss hat auf jeden Fall abgenommen. Als an der FU vor kurzem Burschenschaftler in Uniform auftraten, gab es ja auch Proteste und eine klare Distanzierung der Hochschulleitung. Das zeigt, dass die Verbindungen nicht mehr viel zu sagen haben. Auf der anderen Seite gibt es die konservative Sängerschaft Borussia in Tiergarten, die gleich mehrere CDU-Funktionäre hervorgebracht hat.

Unter anderem Innensenator Frank Henkel.

Richtig. Und wenn man in die Wirtschaft guckt: Da sitzen in den Vorständen immer noch zu 20 Prozent Verbindungsmitglieder. Und die reproduzieren natürlich ihr konservatives Weltbild, etwa was Frauenfragen in der Einstellungspolitik angeht.

Staatssekretär Büge hat sich inzwischen von rechtsextremem Gedankengut distanziert. Reicht das nicht?

Ich finde nicht. Das Weltbild der Gothia passt einfach nicht zu einem Posten im Sozialen. Büge muss sich entscheiden: entweder für das eine oder das andere.

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15 Kommentare

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  • S
    Smersch

    @von Unglaubwürdig

     

    " die "linkspartei" noch als "SED" zigtausende Menschen ermordete."

     

    ihr name ist wohl programm.

     

    oder wollen sie uns vielleicht sagen, welche bisher nicht bekannten leichenberge sie inzwischen gefunden haben?

  • AH
    Alexander Hoffmann

    @ von Bürger:

    Obwohl Sie prinzipiell recht haben, was den Wahrheitsgehalt der Aussagen des Herrn Teidelbaums angeht, hängen Sie sich zu unrecht an der Pronzentangabe der Vorstandsbesetzung durch Korporierete auf. Bei seiner Bezifferung auf 20% hat Herr Teidelbaum lediglich einen abgerundeten Wert angegeben. Glaubt man den aktuellen, inoffiziellen Zahlen von Vorstandsmitgliedern großer Unternehmungen mit Hauptsitz in Deutschland liegt die Zahl der Korporierten in den Vorstandetagen bei ca. 24%. Im Bereich des mittleren und oberen Managements sind Alte Herren diverser Verbindungen mit ca. 37% ebenfalls überproportional vertreten. Zwei Zahlen, vor denen sich niemand in der korporierten Welt verstecken muss.

  • D
    dieter

    Was geht denn hier ab? Großes Burschenschaftliches Troll-Kommentieren? Ihr kommt doch sonst nur um Herrn Yücel anzubrüllen.

     

    Interessant zu sehen, dass ihr als Meute zusammenhaltet, wenn einem aus eurem Rudel auf den Schweif getreten wird. In diesem Land ist die Würde des Menschen unantastbar. Macht euch doch ein eigenes Land auf, in dem dann die Würde des Deutschen Mannes unantastbar ist :-) Das wärs doch, oder?

     

    Ihr seid so voller Angst, und offensichtlich werdet ihr nicht genug geliebt. Wenn ihr nicht Menschen verachten würdet, hätte ich Mitleid mit euch.

  • TL
    Titus Lenk

    Herrn Teidelbaums Vorträge "Einführung in der Verbindungskritik" zur Erstsemestereinführung in Tübingen waren jedes Jahr ein Muss-Termin für die ganze Korporationsszene. Das Publikum bestand meistens zu 90% aus Verbindungsstudenten und deren Symatisanten, der Rest waren wohl Freundes des Herrn Teifelbaum. Unvergessen ist seine Diskussion mit einem Mitglied der "Antispeziesistischen Aktion Tübingen", welcher gute Freunde bei einer Verbindung hat. Situationskomik allererster Sahne.

     

    Für Lacher haben etwa seine historisch extrem belastbaren Behauptungen gesorgt, etwa, dass die Burschenschaftsbewegung von 1815 direkt zum Holocaust geführt hätte.

     

    Und so jemand wird inzwischen Experte genannt.

  • TL
    Thilo Lambracht

    Zur Zeit haben ja selbsternannte "Korporationsforscher" Konjunktur und auch in der taz bekommen sie regelmäßig Raum für ihre Thesen. Im vorliegenden Fall aber äußerst bedauerlich, dass es sich bei "Lucius Teidelbaum" um das Pseudonym eines Autors handelt, der noch 2011 in den Medien als Student der Geschichte in Tübingen beschrieben wurde. Also nicht die Traute haben, sich als angeblicher Wissenschaftler namentlich zu erkennen geben und dann noch, liebe tazler, jemanden als Experten zu befragen, der keinerlei wissenschaftliche Meriten aufzuweisen hat. Beim nächsten Mal bitte seröser vorgehen!

  • A
    Andreas

    Gut argumentiert! Ich finde es auch bedenklich, dass ein Mann, der als Burschenschafter derartiges Gedankengut vertritt, Staatssekretär sein kann. Eine einfach dahergesagte Distanzierung reicht da nicht. Es gibt mit Sicherheit bessere Leute als Büge für den Posten.

  • W
    waldemar

    Ich denke, Herr Büge wird sich - vor die Wahl gestellt Lebensbund oder Polit-Karriere - für seine Karriere entscheiden. Nützen wird es ihm aber nichts. Man liebt immer den Verrat, niemals aber den verräter. Ein zweiter Fall Ahlhaus, der ja nach seiner von den Medien erzwungenen Scheidung von der Heidelberger Studentenverbindung prompt abgewählt wurde. Auch Herr Büge wird die (verdiente) Quittung erhalten...

  • DF
    Dirk Fredebusch

    "Also ich finde das schon bezeichnend". Appeliert der Herr an des Lesers Plitical Correctnes?

    Eine Diskussion über Minderheiten oder die Grenzfrage darf man heutzutage wohl auch nicht mehr führen?

    Diese Entwicklung der moralischen Zensur wird immer unheimlicher...

  • A
    apfelhaus

    seit langer zeit mal wieder ein guter beitrag!!

  • BL
    Benjamin L

    Wer ist dieser Mensch, dass er sich herausnimmt Menschen aufgrund einer Mitgliedschaft in einer demokratischen, wenn auch einem teils zweifelhaften Dachverband angehörigen Verein so öffentlich an den Pranger zu stellen? Pfui und nochmals Pfui. Das erinnert stark an 12 Jahre braune Scheiße und die Gesinnungsschnüffelei in der DDR. Scheinbar gibt es auch im Jahre 2012 immernoch Menschen in Deutschland die nichts dazugelernt haben. Ich halte gar nichts von rechten Burschenschaften, jedoch stellen Leute wie Herr Teidelbaum eine größere Gefahr für eine freiheitlich demokratische Ordnung dar.

     

    Herr Teidelbaum lebt davon, andere Menschen blosszustellen und ihnen zweifelhaftes Gedankengut zu unterstellen. In der Welt von Herrn Teidelbaum ist jeder, der rechts der LINKEN im Bundestag sitzt, sprich auch SPD und Grüne "rechten" Gedankenguts verdächtig. Wenn man sich die Gruppierungen anschaut, bei denen er sonst referiert, findet man sicherlich keine guten Demokraten sondern Extremisten vom anderen Ende des politischen Spektrums die sich offen zu Sachbeschädigungen und Vandalismus bekennen. (Marxistische Aktion Tübingen, Antispeziesistische Aktion Tübingen). Vieleicht sollte die TAZ die demokratische Gesinnung ihrer Gesprächspartner überprüfen. Herr Büges Mitgliedschaft in einer Burschenschaft mag nicht auf Zuspruch stoßen, jedoch hat man von diesem Herrn nie etwas einschlägiges gehört. Ferner reichen ein paar Klicks im Internet um festzustellen, dass der Altherrenverband der Gothia nie Mitglieder Burschenschaftlichen Gemeinschaft war. Herr Büge gehört diesem an und nicht der aktiven Studentenverbindung Gothia die als Burschenschaft für kurze Zeit der Burschenschaftlichen Gemeinschaft angehört hat.

  • B
    Bürger

    Woher weiß Herr Teidelbaum, dass in den Führungsetagen 20% Korporierte sitzen? Diese Aussage ist symptomatisch für das Interview. Mutmaßung reiht sich an Mutmaßung und mündet in der Aussage der angeblichen Unvereinbarkeit - schließlich ist die Gothia - wie alle Burschenschaften - ja rechts. Das rechts nicht rechtsextrem ist, das wird natürlich verschwiegen.

    Die basisdemokratische Organisation der Burschenschaft kommt dabei ebenso nicht zur Sprache, würde wohl auch nicht in sein Klischee passen.

  • S
    Student66

    Wenn Herr Teidelbaum am 09. November 2011 bei dieser Verbindung war, dann nach meinen Recherchen zu einem Vortrag mit Peter Feist zum Thema "Die Eurokrise - Ursachen und Verursacher".

     

    Laut wikipedia war Peter Feist neben einer Ordentlichen Mitgliedschaft in der Akademie der Künste ab 1968 Mitglied im Zentralvorstand des Verbandes Bildender Künstler der DDR (VBK) und ab 1974 korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR. 1975 und 1980 wurde er mit dem Nationalpreis der DDR geehrt usw.

     

    Feist gilt in der Wissenschaftsszene als Marxist und soll nun als Beweis für rechtsextreme Tendenzen dieser Verbindung oder Büge herhalten? Hetzt hier ein selbsternannter Antifaschist gegen einen anderen Linken auf eigene Rechnung und auf Kosten eines demokratischen Politikers?

     

    Ist das nicht stattdessen ein Beweis für die weltoffene und überparteiliche Einstellung dieser Verbindung? Welche Partei jenseits der Partei "die Linke" würde sich z.B. mit solchen Thesen ernsthaft beschäftigen?

     

    Bitte etwas seriöser und ehrlicher in der Berichterstattung liebe Taz (sonst bestelle ich mein Abo ab)

  • U
    Unglaubwürdig

    Der Typ steht so weit rechts wie viele Dozenten der HU links. Da muß man auch immer erst ein dämliches Zitat von Karl Marx statt des Humanisten Humbold lesen wenn man die Treppe raufgeht. Der Unterschied ist, daß die Burschenschaftsnasen mit irgendwelchen Verbrechern sympatisieren und die "linkspartei" noch als "SED" zigtausende Menschen ermordete. Jetzt inseriert sie in der taz. Die unterschiedlichen Maßstäbe stinken zum Himmel und das taz-Moralin verliert seine Wirkung. Ich will keinen solchen Staatssekretär. Solange aber Mörder und ihre Sympatisanten unbehelligt in den Medien herumlaufen nur weil sie "links" sind und an einer neuen Dikattur basteln ist es das geringere Übel.

  • SM
    Sven Meier

    Ein Artikel von Linksextremen für die Hexenjagd. Keim Wunder warum der taz die Leser weglaufen. Ein fragwürdiger Artikel mit einem fragwürdigen "Gesprächspartner".

  • AH
    Alexander Hoffmann

    Woher nimmt Herr Teidelbaum sich das Recht, Herrn Büge vorzuschreiben, daß er nicht geleichzeitig Staatssekretät in Berlin und Mitglied der Burschenschaft Gothia sein darf? Wann bitte hat sich Herr Büge etwas Rechtsextremistisches zu Schulde kommen lassen? Die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft ist seine private Angelegenheit. Wenn deratige Mitgliedschaften ein Ausschlusskriterium für die Bekleidung öffentlicher Ämter darstellen, dann ist das ein Zeugnis für die Unfreiheit in unserem Staat. Der Wahlspruch der Deutschen Burschenschaft "Ehre, Freiheit, Vaterland" zeigt einmal mehr seine Aktualität.