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Brigitte Werneburgschaut sich in Berlins Galerien um

Allein dieses Lila, was für eine rasante, dabei durchaus elegante Farbe es ist. Und was es über die Schlagschatten der Berliner Blockrandbebauung erzählt, ist einfach großartig, darüber, wie diese Schatten die Wohn- und Geschäftshäuser – wie man so schön sagt – in ein völlig neues Licht tauchen. Wie die Farbe, ob himmelblau heiter, strahlend weiß oder pistaziengrün leuchtend gerne dick aufgetragen und als fetter Ölklecks akzentuiert, bei Erik Schmidt spricht, wie sie das Ding in dem Moment analysiert, in dem sie es darstellt, repräsentiert, das ist großartig.

Jetzt schaut sich Schmidt, wie bei carlier | gebauer zu sehen, Berlin an. Von oben. Fotografiert er die Stadt. Die Aufnahmen druckt er auf die Leinwand, die er dann übermalt. Zuvor hat er die Bilder aber so gedreht und gekippt, dass jede Orientierung erst einmal futsch ist. Man schaut sich also notwendigerweise erst einmal ein Bild an, sieht Dynamik, Bewegung, Farbe, Form und nicht den Martin-Gropius-Bau und den Potsdamer Platz. Sie werden dann durch die Farbgebung und -setzung, durch die kaum merklichen fotografischen Spuren allmählich deutlich. Und damit eine hinreißende Stadt, als die Erik Schmidt Berlin präzise und radikal in Szene setzt (bis 20. 7., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Markgrafenstr. 67).

Auch Ulla Hahn nutzt Fotos, gerne im Postkartenformat, als Malgrund. In früheren Arbeiten wusch sie die Übermalung wieder ab, um erneut Farbe aufzutragen, die erneut ab- und ausgewaschen wurde: ein wiederholtes Wechselspiel, das zu der in mehrerlei Hinsicht berechtigten Assoziation von Goldwaschen führte.

In den neuen Arbeiten bei Vincenz Sala greift die Künstlerin erneut auf gefundene Aufnahmen zurück, Schallplattenhüllen, die sie auf das Postkartenformat zurückschneidet. Ihre skulpturale Behandlung des Materials, das Abtragen und Wegnehmen, mündet am Ende in die große, der Ausstellung ihren Titel gebende Montage „succès“: 10 x 30 Postkartengesichter bilden ein vier mal zwei Meter großes Rechteck, das ausschließlich Frauenporträts von Schallplattencovern über etwa sechs Jahrzehnte hinweg zeigt.

Man glaubt, sie alle kennen zu können, denn alle sehen sie berühmt aus, obwohl das vielleicht nur Drittel von ihnen wirklich ist. Was meint das eigentlich, berühmt aussehen?, fragt man sich. Und: Gibt es einen Stil des Coverbilds, der diesen Eindruck evoziert? Oder rührt er von der Montage her? Je genauer man, fasziniert vom Gewebe der Gesichter, die Tafel studiert, desto mehr Lesarten, ikonologische, soziologische oder feministische, drängen sich auf. Bis man die Abstraktion der Farbfelder entdeckt (nur noch Do. und Fr., 15–20 Uhr, Sigmaringer Str. 23).

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