piwik no script img

Boris Jelzin will jetzt auch schnelle Kommunalwahlen

■ Pressezensur teilweise aufgehoben

Moskau (dpa/taz) – Boris Jelzin will wählen lassen. Fast zwei Wochen nach der Auflösung der Obersten Sowjets kündigte er bei einer Fernsehansprache am gestrigen Abend an, daß am 12. Dezember nicht nur das Parlament der russischen Föderation gewählt wird. Gleichzeitig könnten die BürgerInnen „vielleicht“ auch über neue regionale Vertretungsorgane abstimmen. Die Sowjets, die die Errichtung einer „blutigen kommunistisch-faschistischen Diktatur“ unterstützt hätten, sollten nun eine Entscheidung über ihre Selbstauflösung treffen. Zuvor hatte der Präsident bereits die im Zusammenhang mit dem Ausnahmezustand verhängte Pressezensur aufgehoben. Zahlreiche kommunistische und nationalistische Zeitungen dürfen jedoch weiterhin nicht erscheinen. Außerdem ordnete Jelzin für heute einen „Tag der Trauer“ an. Alle Opfer des Putsches sollen an diesem Tag beigesetzt werden. Einziger Tagesordnungspunkt der gestrigen Sitzung des russischen Sicherheitsrates war die Erarbeitung einer neuen Militärdoktrin für Rußland. Beobachter werteten dies als ein Zeichen dafür, daß Jelzin sich schnell mit den Interessen der Armee, die ihn in den vergangenen Tagen unterstützt hatte, auseinandersetzen will.

Zwei Tage nach der Niederschlagung des Putsches sind die letzten Eliteverbände der Armee aus Moskau abgezogen worden. Unter starker Bewachung durch Einheiten des Innenministeriums standen weiterhin das Fernsehzentrum Ostankino, das beschädigte Parlamentsgebäude sowie alle wichtigen öffentlichen Gebäude. Einheiten der Sicherheitskräfte waren weiter unterwegs, um bewaffnete Jelzin-Gegner aufzuspüren und zu verhaften. Ein weiterer Gegner Jelzins, der Präsident des Verfassungsgerichts Waleri Sorkin, ist gestern „aus Gesundheitsgründen“ zurückgetreten. Die Verteidigung von Ex-Parlamentspräsident Chasbulatow wird einer der Anwälte der Anführer des Putsches im August 1991 übernehmen. Seite 2

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen