: Bonner Herrenrunde berät soziale Grausamkeiten
■ Heute abend treffen sich Gewerkschaften und Arbeitgeber mit dem Kanzler und Ministern
Berlin/Bonn (taz/dpa/AFP) – Fünfzehn Herren von Gewerkschaften, Regierungs- und Arbeitgeberseite werden sich heute abend im Bungalow des Kanzlers zusammensetzen, um für Deutschland einen Sparstrumpf zu stricken. Der Kanzler und seine Minister, so berichtet zumindest die Bild-Zeitung, wollen dabei den Tarifparteien zwei Modelle für die Kürzung der Lohnfortzahlung für Kranke vorschlagen. Arbeitsminister Blüm (CDU) will die Lohnfortzahlung künftig am Tariflohn ausrichten, ohne daß Überstunden mitberechnet werden. Das Modell des CDU-Sozialpolitikers Louven sieht vor, daß die Lohnfortzahlung in den ersten 14 Krankheitstagen um 20 Prozent gekürzt wird.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund übte gestern harsche Kritik an den geplanten Sozialkürzungen. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Engelen-Kefer bekräftigte, daß Kürzungen bei der Arbeitslosenhilfe und eine Verschiebung der Kindergelderhöhung für die Gewerkschaften „völlig indiskutabel“ seien. Für den Fall, daß die Lohnfortzahlung verschlechtert werde, kündigte sie erneut Streiks an.
Die Arbeitgeber unterstützen dagegen die Bonner Sparpläne weitgehend und plädieren nachdrücklich für eine Reform der Tarifverträge. In einer gemeinsamen Erklärung des Bundesverbands der Deutschen Industrie und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber heißt es, gesetzliche Öffnungsklauseln sollten dazu beitragen, daß Unternehmer auf betrieblicher Ebene vom Tarifvertrag abweichen könnten. Bei der Lohnfortzahlung halten die Arbeitgeber das Louven-Modell für den „praktikabelsten Weg“. Die bisher bekanntgewordenen Kürzungspläne der Regierung reichen nach Arbeitgebermeinung allerdings nicht aus. „Das Gebot der Stunde“ seien weitere Einsparungen bei den Sozialleistungen. Seite 4
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