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Archiv-Artikel

Blasphemie-Vorwurf Kunst verträgt sich mit Religionskritik

So weit musste es kommen: Erst brennen Botschaften, weil Karikaturisten den Propheten Mohammed in ein zweifelhaftes Licht setzten. Dann stachelt Papst Benedikt XVI. durch zweifelhafte Zitate den Streit zwischen Christen und Moslems an. Danach sieht der Berliner Innensenator die Deutsche Oper in Flammen aufgehen, weil in der „Idomeneo“-Inszenierung abgeschlagene Köpfe von Jesus, Mohammed, Buddha und Poseidon gezeigt werden. Und nun trifft es eine der kleinsten und unbedeutendsten Galerien der Stadt: Die dortigen Künstler verletzen religiöse Gefühle, so der Vorwurf. Ihnen droht wegen einer trashigen Skulptur eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren.

KOMMENTAR VON WALTRAUD SCHWAB

Was ist passiert? Angelehnt an den Besuch des Papstes in Deutschland haben drei Künstler in der Off-Galerie „Foto-Shop“ in Mitte auf karikierende Weise religiöse Symbole zusammengeführt, die den vom Papst ausgelösten Religionsstreit persiflieren: Eine weibliche Schaufensterpuppe im Outfit christlicher Würdenträger, aber mit Totenschädel hat einen Sprengstoffgürtel umgeschnallt. Der Papst von heute, so eine Interpretation des Werks, ist Sprengstoff von morgen. Was die Künstler, die zu siebt einen elf Quadratmeter großen Raum in einem Abrisshaus bespielen, als künstlerische Kritik verstehen, wandelt sich jetzt in eine virtuelle Explosion: Ein Polizist hat Strafanzeige gestellt wegen Verunglimpfung religiöser Gefühle.

Es ist eine tradierte Aufgabe der Kunst, Tabus zu brechen. Eine aufgeklärte Gesellschaft kann damit umgehen. Wenn nun an einer unangepassten Galerie ein disziplinierendes Exempel statuiert wird nach dem Motto: „Wer etwas gegen den Papst sagt, handelt gesetzeswidrig“, dann ist eine Grundfeste des modernen, demokratischen Staates in Gefahr: das Recht auf freie Meinungsäußerung. Das ist indiskutabel.

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