Bezahlschranken im Netz: Geschlossene Gesellschaft

Bei über 100 Zeitungen stößt man auf Bezahlschranken im Netz. Die meisten setzen auf Zwang.

Zutritt nur gegen Bezahlung. Bild: kallejipp/photocase.de

Auch nach gut 20 Jahren Online-Journalismus ist die Frage seiner Finanzierung weiterhin ungeklärt. Einige Medienhäuser haben auf die Frage, wie sich die Bereitschaft zum Zahlen im Netz erhöhen lässt, eine einfache Antwort: mit Zwang. 

Mittlerweile haben über 100 Zeitungen laut Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger eine Bezahlschranke im Netz eingeführt. Bei ca. 60 Zeitungen bleibt zwar ein Teil der Artikel kostenfrei, andere Artikel allerdings werden erst gegen Bezahlung oder mit einem Abo zugänglich. 35 weitere Blätter setzen auf das sogenannte Metered Model, eine sanfte Bezahlschranke, bei der man eine begrenzte Anzahl an Artikeln im Monat frei lesen kann. Bei der harten Variante, die derzeit vier Zeitungen in Deutschland betreiben, wird der gesamte Content zum Paid Content. Immerhin umgeht man im letzten Fall den unerfreulichen Nebeneffekt der Metered Paywall, ausgerechnet das treue, viellesende Publikum zur Kasse zu bitten.

Limitierung ersetzt Freiheit

Das grundsätzliche Problem dieser Schranken liegt auf der Hand: Es herrschen Limitierung und Beschränkung, wo man als Nutzer einst mit Freiheit und Zugänglichkeit rechnen konnte. Das Ausweichen der LeserInnen auf andere Angebote ist in dieser Hinsicht nachvollziehbar. Wieso für etwas zahlen, das vorher kostenfrei war?

Manche schieben die Schuld an dieser Misere den Zeitungen selbst in die Schuhe, weil diese vor Jahren vorschnell ihre Angebote kostenlos ins Netz gestellt hätten. Jetzt ein Umdenken bei den LeserInnen zu erzielen, die sich längst an die breite Informationsvielfalt gewöhnt hätten, sei schwierig – aber notwendig. Ungeachtet ambitionierter Neugründungen (Krautreporter, De Correspondent) wird, weil sich die eigenen Strukturen eben nicht so einfach ändern lassen, das fehlgeleitete Nutzerverhalten beklagt. So, als könne man die LeserInnen für die Krise der Zeitungen verantwortlich machen. Und dagegen vorgehen.

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Schluss mit der Reichweite

Beispielsweise hat sich die Rhein-Zeitung im Sommer entschieden, eine Paywall einzuführen und von den LeserInnen Geld zu verlangen. Chefredakteur Christian Lindner hat den Rückzug hinter eine Mauer kämpferisch ausgelegt und (zuletzt bei der Fachtagung Besser Online) betont, dass Reichweite für sich genommen „kein Wert mehr ist”. Das Wettrennen um Page Impressions, Unique-Users und Visits sei von den Verlagen bislang überbewertet worden. Der Rückgang der Klickzahlen und die damit schwindenden Werbeeinnahmen durch eine Paywall seien hinnehmbar, im Internet werde damit ohnehin verhältnismäßig wenig Geld verdient. Durch die Paywall verliere die Rhein-Zeitung zwar NutzerInnen, so Lindner, man gewinne aber etwas viel wertvolleres: Kundenbeziehungen. Warum also hart erarbeiteten Content einfach verschenken?

Wenn man den öffentlichen Auftrag wegdenkt und Journalismus lediglich als Ware behandelt, mag dies die richtige Strategie sein. Für die taz kommt sie nicht in Frage. Die taz will kritische Blickwinkel auf Zustände der Gesellschaft ermöglichen – für so viele Leute wie möglich. Es widerspräche den Grundgedanken der taz, wenn diese ihre politischen Debatten hinter Mauern führen würde. Dieser Anspruch und das damit verbundene Verantwortungsbewusstsein darf aber den Finanzierungsdruck, der auch auf den Online-Aktivitäten der taz lastet, nicht verdecken. 

Kein dominantes Modell

Aber aus Unsicherheiten im Digitalgeschäft eine düstere Zukunftsvision abzuleiten, wäre der falsche Weg. Es gilt, die Stärken der taz – Orientierung, Kritik, Unabhängigkeit – im digitalen Zeitalter weiterzutragen. Denn nichts deutet darauf hin, dass LeserInnen nicht bereit wären, für guten Journalismus zu bezahlen. Nur wird sich, nach allem was man derzeit sagen kann, in nächster Zeit kein Geschäftsmodell als das dominante durchsetzen. Und das ist auch gut so, denn jede Zeitung muss ihr eigenes Erfolgsmodell finden. Der taz ist dies mit „taz-zahl-ich” bislang geglückt.

Modell der Freiwilligkeit

Mit „taz.zahl ich” werden die LeserInnen der taz daran erinnert, dass hinter jedem Klick journalistischer und technischer Aufwand steckt, und jeder Beitrag seitens der LeserInnen dabei helfen kann, den Online-Journalismus der taz zu erhalten. Die taz überlässt den LeserInnen die Entscheidung, ob sie einen Beitrag bezahlen möchten oder nicht.

Damit geht nicht zuletzt ein solidarischer Gedanke einher: taz.de soll in seiner aufklärerischen Funktion auch für Menschen, die sich kein Beitrag/Abonnement leisten können, frei zugänglich sein. Dieses Modell der Freiwilligkeit und Solidarität ist – sieht man sich die derzeitige Medienlandschaft an – einzigartig. Und gerade deshalb kann es funktionieren.

Ilija Matusko, Sitemanagement taz.de