Bewerbung für Winterspiele 2018 in München: Grüne für und gegen Olympia
Die Münchner Grünen zerstreiten sich über die Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2018. Die Basis stimmt dagegen, die Stadtratsfraktion beharrt auf ihrem Ja.
MÜNCHEN taz | Eigentlich hätte der Abend kaum eindeutiger ausgehen können. Es hat Pfiffe für die Olympia-Befürworter gegeben und lauten Jubel für die Gegner. Die Basis der Münchner Grünen hat am Montagabend bei ihrer Stadtversammlung mit 92 zu 45 Stimmen gegen eine Münchner Olympia-Bewerbung für die Winterspiele 2018 gestimmt. Die grüne Fraktion solle am Mittwoch im Münchner Stadtrat das Bid Book zur Olympia-Bewerbung ablehnen, so der Beschluss. Ein eindeutiges Votum, findet auch der Landtagsabgeordnete und Olympia-Gegner Ludwig Hartmann gleich nach der Abstimmung: "Wenn die Fraktion am Mittwoch geschlossen für Olympia stimmen würde, wäre das dreist."
Doch am nächsten Tag ist klar: Die Grünen-Fraktion wird geschlossen mit Ja stimmen - egal was die Basis sagt. "Wir werden auf dem eingeschlagenen Weg bleiben und alle für Olympia stimmen", sagt die Fraktionschefin im Münchner Rathaus Lydia Dietrich. Man nehme den Beschluss ernst und werde die Bewerbung kritisch begleiten, so Dietrich. Aber: "Wir haben einen Koalitionsvertrag unterschrieben, und wir stehen dazu."
Die Münchner Olympia-Bewerbung wird nun endgültig zur Zerreißprobe für die Grünen in München und Bayern. Seit 20 Jahren regieren die Grünen im Münchner Stadtrat zusammen mit der SPD. SPD-Oberbürgermeister Christian Ude will die Winterspiele 2018 gegen alle Widerstände durchsetzen. Sie sollen sein Vermächtnis an die Stadt werden. Die Grünen stimmten im aktuellen Koalitionsvertrag der Bewerbung zu, dafür sollte ein strenges Umwelt- und Nachhaltigkeitskonzept eingehalten werden. Bisher hat auch die Basis der Münchner Grünen die versprochene nachhaltige Bewerbung unterstützt, während anderswo bei den bayerischen Grünen die Zweifel und der Widerstand wuchsen. Die Landtagsfraktion drängt schon seit Monaten auf einen Ausstieg. Zahlreiche Grüne gründeten die Initiative "Nolympia".
Am Montag trafen bei der Stadtversammlung im Kulturhaus Neuperlach die Olympia-Befürworter und ihre Gegner aufeinander. Es war kein Streit zwischen Parteispitze und Basis. Der Riss geht bei den Grünen quer durch die Partei, bis zu den Landesvorsitzenden. Auf der Bühne, vor einem grünen "Atomkraft - Nein danke"-Banner, steht Dieter Janecek, der eine Landesvorsitzende der Grünen, und ruft: "Nein, das ist nicht unser Projekt." Die Informationspolitik des Stadtrats sei katastrophal, der Stadtratsfraktion sei es nicht gelungen, die ökologische Ausrichtung der Spiele zu überwachen. "Ihr seid keine kritische Begleitung der Grünen bei der Bewerbung", schimpft Janecek. Dann tritt Theresa Schopper auf, die andere Landeschefin, und sagt: "Ich habe mich immer für Olympia ausgesprochen." Sie sehe keinen Grund, warum die Spiele nicht nachhaltig sein sollten. Sie störe der "sportfeindliche Duktus" der Olympia-Gegner.
Die Diskussion tobt drei Stunden lang. Die Stadträte loben, durch Olympia würden 1.300 Plus-Energie-Wohnungen gebaut und keine Naturschutzgebiete beeinträchtigt. Die Gegner rechnen vor, die Spiele würden Milliardensummen kosten, ohne viel Nutzen für München. "Heute Abend sollte es auch um die Finanzierung gehen", sagt die Landtagsabgeordnete Claudia Stamm. "Es geht um die grüne Glaubwürdigkeit", sagt der Stadtrat Florian Roth. Noch am Abend sehen Stadträte durch den Beschluss das Rathaus-Bündnis mit der SPD bedroht. "Was bedeutet das für die Koalition?", fragt der dritte Bürgermeister Hep Monatzeder die Mitglieder.
Am nächsten Morgen hat sich die Stadtratsfraktion schon eine neue Interpretation des Basis-Beschlusses zurechtgelegt. Fraktionschefin Lydia Dietrich sagt, niemand habe bei der Veranstaltung explizit verlangt, den Koalitionsvertrag zu brechen und gegen die Bewerbung zu stimmen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Streit um die Sandale