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Betrug beim AbwrackenDie Abschiebungsprämie

Ein Haufen Leute kauft sich mithilfe der Abwrackprämie ein neues Auto und verscherbelt das alte trotzdem weiter. Das ist kriminell - und auch gut für die Umwelt.

Viele Abwrack-Autos sind um ein jähes Ende auf dem Schrottplatz herumgekommen. Bild: ap

Eine "Ex und hopp"-Prämie hat es schon mal gegeben. In den 70er-Jahren warb eine Brauerei für Einwegflaschen, die nach einem kräftigen Zug mit einer lässigen Handbewegung ins Off zu befördern waren. Was aus heutiger Sicht unvorstellbar klingt, ist mit der Abwrackprämie für Gebrauchtwagen längst wieder Wirklichkeit geworden.

Fünf Milliarden Euro lässt sich die Bundesregierung diese Atropinspritze für die Wirtschaft kosten. (Das ist das Ding, das in "Pulp Fiction" der kollabierenden Frau des Drogenbosses ins Herz gerammt wird, damit sie wieder auf die Beine kommt.) Das Herz der deutschen Wirtschaft ist nach herrschender Meinung die Automobilindustrie, die mit zwei Millionen Prämien à 2.500 Euro wiederbelebt werden soll. Übrig sind noch 275.000 Prämien. Daran gemessen war das Programm ein Erfolg.

Jetzt hat die Deutsche Umwelthilfe bekannt gemacht, dass bei der offiziell "Umweltprämie" geheißenen Förderung kräftig gelogen und betrogen wird. Die Kripo habe 50.000 Betrugsfälle in Zusammenhang mit der Prämie registriert. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) gehe davon aus, dass die offiziell verschrotteten Altautos illegal weiterverkauft worden seien. Fünf bis zehn Prozent der mindestens neun Jahre alten Schüsseln seien nach Afrika und Osteuropa verfrachtet worden.

Diese Vermutung klingt sofort plausibel, wenn man sich auf dem riesigen Autolagerplatz in Hamburg-Rothenburgsort umsieht, gleich bei den Elbbrücken. Die Stimmung ist mies, weil die Abwrackprämie den Markt für billige Gebrauchtwagen kaputt gemacht hat. Autos, die weniger als 2.500 Euro wert sind, werden kaum mehr verkauft.

Erst begonnen haben dürfte das Leiden für die Werkstätten. Mit den alten Autos gehen eine Menge Reparaturaufträge flöten. Das trifft gerade die kleinen, billigen Schrauber, die nicht davon leben, dass brave Leute ihre Karossen turnusmäßig zur Inspektion auf den Hof fahren. Weil die Prämie winkt, denken viele gar nicht erst über eine Reparatur nach und auch nicht darüber, wie viele Kilometer ihr Wagen eigentlich noch laufen könnte.

Dabei wäre das aus Umweltsicht der richtige Gedanke. Die vage Aussicht, dass neu gekaufte Wagen umweltfreundlicher zu betreiben sind, rechtfertigt die Wertevernichtung in der Schrottpresse nicht.

Es ist im Wesentlichen eine Hoffnung auf umweltfreundliche Autos, die die Regierung mit ihrer "Umweltprämie" verbindet. Aber Umweltstandards sind darin nicht vorgeschrieben. Es gelten nur die allgemeinen Normen für Pkws. Dass sich der Spritpreis motivierend auswirken könnte, ist wenig wahrscheinlich, weil die Preise zurzeit niedrig sind und das Gedächtnis der Autofahrer kurz ist.

Ein neuer Wagen müsste schon sehr viel weniger verbrauchen als der alte, damit sich das Abwracken lohnt. Denn ein Auto verbraucht Ressourcen und schädigt die Umwelt nicht nur, wenn es durch die Gegend fährt: Der größte Teil des Schadens entsteht bei der Herstellung.

Wie das Wuppertal-Institut 2007 im Auftrag des Bundesforschungsministeriums ausgerechnet hat, werden 64 Prozent der Ressourcen bei der Herstellung eines Golf 4 verbraucht und nur 36 Prozent beim Betrieb. Stahl und Eisen, Kupfer und Aluminium, aufwändig zu isolierende Stoffe wie Platin, Kunststoffe, Glas, Naturfasern - die Liste von Zutaten für ein Automobil ist lang. Unter Verbrauch von Energie und Wasser müssen sie gewonnen oder recycelt werden. Dabei entstehen bergeweise Abfälle und große Abgaswolken. Ein Teil der verwendeten Rohstoffe verteilt sich auf Nimmerwiederverwerten in der Troposphäre.

Die "Umweltprämie" ist also mitnichten eine solche, sondern wie Jürgen Resch, der Geschäftsführer der DUH richtig sagt, "ein weltweit einzigartiges Automobilabsatzförderprogramm" - wobei die USA inzwischen mit 3 Milliarden Dollar die Aufholjagd begonnen haben.

Ob die Autohersteller und -händler mit der Staatshilfe auf mittlere Sicht glücklich werden, ist offen: Da sich so viele mit Neuwagen eingedeckt haben, dürfte das Interesse in den nächsten Jahren ziemlich schwach ausfallen.

Vielleicht spielt bei denjenigen, die ihren Wagen trotz der Prämie nicht abwracken, ja nicht nur Geldgier eine Rolle. Mag sein, dass sie ein wenig sentimental sind; mag sein, dass es ihnen einfach widerstrebt, etwas wegzugeben, dessen Gebrauchswert ihnen deutlich vor Augen steht. Das ist wie bei den meisten Sachen, die nicht mehr gebraucht werden. Man freut sich, wenn einer dafür Verwendung hat.

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