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Betr.: Eine bosnische Familie kehrt nach Sarajevo zurück

An jenem Tag, Ende August, an dem die Familie Srmić von Grömbach bei Freudenstadt im Nordschwarzwald zurück nach Sarajevo fuhr, standen Fotograf Thomas Klink und Christian Litz vor der alten Schule und klopften an die Tür der provisorischen Wohnung im Keller. Vier Uhr morgens war ausgemacht, die Srmić wollten möglichst früh losfahren, heim nach Sarajevo.

Sie mußten abreisen, denn dieser Tag war der letzte, den ihnen die deutschen Behörden auf deutschem Boden erlaubten.

Der Kontakt zur Familie war über die Spedition zustande gekommen, die tags zuvor die wenigen Möbel auf den Sammeltransporter geladen hatte. Erdin Srmić hatte beim ersten Gespräch am Telefon blitzschnell geschaltet und, wie er später sagte, gedacht: „Es kann nichts schaden, zwei deutsche Journalisten dabeizuhaben, wenn wir als Muslime durch serbisches Gebiet fahren.“

Nach dem gemeinsamen Frühstück beluden die Srmić die beiden Autos der Familie mit dem Rest des kargen Besitzes. Um neun Uhr ging es dann los, mit den Begleitern. Die Fahrt dauerte fast dreißig Stunden, ging durch Österreich, über die slowenische, die kroatische Grenze, dann bei Bihać nach Bosnien, von dort teilweise durch den serbischen Teil der Republik.

Dreimal kamen die Srmić in Polizeikontrollen, zahlten jedesmal die üblichen zwanzig Mark, ohne dafür eine Quittung zu bekommen.

In Sarajevo lebten die Journalisten acht Tage bei der Familie in der Wohnung, gingen mit zu den Ämtern, saßen einen ganzen Tag auf dem Zollhof, um auf die Freigabe der Möbel zu warten, sie waren waren bei den ersten Besuchen der Familie bei Freunden und Verwandten dabei, gingen nachts mit dem ältesten Sohn aus, um wie der Sarajevo kennenzulernen, halfen, die Möbel in den fünften Stock zu schleppen, und redeten, diskutierten, stritten und versöhnten sich mit einzelnen Familienmitgliedern.

Zurück nach Deutschland ging es mit dem Bus. Den nahm einige Wochen später Christian Litz noch einmal, um die Srmić für vier Tage zu besuchen und zu sehen, was sich bei der Familie so getan hatte.

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