Berliner Platten : Der Garagenpunk schick im Dreispitz und stahlkalter Techno als warmblütiger Dub: Bonaparte verkleiden sich gern, Fenin sucht die musikalische Verwandlung
Nein, weder sind verschollene Aufnahmen eines verblichenen französischen Kaisers entdeckt worden, noch hat ein medaillendekoriertes Dressurpferd nun auch noch sein musikalisches Talent entdeckt. Bonaparte sind – wie viele andere – in Berlin gestrandete Musikanten, ein offenes Kollektiv aus Neuseeländern, Österreichern, Brasilianern und Panamaern, Polen, Franzosen und Deutschen. Diese, wie sie sich selbst nennt, Hedonisten-Armee hört auf einen freundlichen Schweizer Diktator namens Tobias. Der bestimmt wahlweise, was Bonaparte gerade ist: Vom Laptop-DJ-Set mit ihm allein bis zum großen Auftritt in voller Bandbesetzung mit Tänzerinnen und Feuerschluckerei. Ihren Stil nennen sie Virtual Trash, weil sie einerseits im Musikmüll vergangener Epochen wühlen und andererseits gern mit Dreispitzen aus Papier, Hasenohren und Masken verkleidet auf die Bühne steigen. Das hat dazu geführt, dass Bonaparte mancherorts als momentan heißestes Ding in der Hauptstadt gehandelt werden.
Auf ihrer ersten Veröffentlichung „Too Much“, vorerst nur digital erschienen, führen sie die Ergebnisse ihrer Raubzüge durch die Popgeschichte auf: Man hört, dass es ihnen der Garagenpunk der Sixties angetan hat, dass ihnen Velvet Underground nicht ganz unbekannt sind und auch der New Wave der Achtzigerjahre. In Songs wie „Anti Anti“ wird eine arg ramponierte rebellische Attitüde wieder reaktiviert, aber mit so viel Ironie und ohne jedes Pathos wiederaufbereitet, dass sie tatsächlich noch einmal funktioniert. Ein klappriger Sound, der sich zwar auf Punkrock bezieht, aber auch tanzbar sein will, erinnert an die momentan so angesagten Kills. Nennen wir es, so wie die Urheber auch, einfach Electropunk. Der ist geschickt konstruiert und unverschämt modisch, dabei vielleicht mit ein paar Insider-Scherzen zu viel ausgestattet, aber dafür in Songs wie „Do You Want To Party?“ und „Too Much“ auch mit Melodien, die einen leicht vergessen lassen, dass einem diese Sorte selbstvergessener Kettenraucher-Rock eigentlich doch zu schwitzig geworden war.
Auch Fenin ist nicht etwa der Stürmer von Eintracht Frankfurt, sondern heißt mit Vornamen schlicht Lars und ist schon seit Jahren ein etablierter Produzent. Sein Markenzeichen: Er geht mit den Methoden des Dub an Techno heran, zerlegt und dehnt, reduziert und verlangsamt. Auch auf „Been Through“ funktioniert das prima, wenn er die Strukturen eines guten alten Bretts genüsslich freilegt, abstaubt und ganz überlegt wieder zusammensetzt. Dabei ist mancher Track wie „Breakin“ immer noch schnell genug für jeden herkömmlichen Tanzboden, anderes wie „Elephants“ so verzögert und dekonstruiert, dass man sich die Beine verknoten würde. Auch die immer größeren Raum einnehmenden Songwriter-Ambitionen von Fenin fügen sich harmonisch ins Gesamtbild. Aber am schönsten geraten sind gerade die verhuschten, aber nichtsdestotrotz groovenden Stücke wie „Miles and More“ – nicht nur, weil sie wohl auch am nächsten dran sind an der ursprünglichen Idee, sich den stahlkalten Techno als warmblütigen Dub zu denken. THOMAS WINKLER
Bonaparte: „Too Much“ (nur digital, z. B. über www.bonaparte.cc), live: 1.5. Oranien/Adalbertstr., 2. 5. Magnet
Fenin: „Been Through“ (Shitkatapult/Alive), Release-Party 26. 4. im Maria