Berliner Irrtümer : Gutes Buch, schlechte Präsentation
Volker Wieprecht spricht und liest und spricht und liest. Sein Radio-eins-Kollege Robert Skuppin hat nix zu sagen. Zumindest scheint es so. Denn außer einigen Einwürfen bleibt der Kultmoderator wortkarg. Dabei soll doch auch er Werbung machen für das erste Buch, das er und Wieprecht gemeinsam geschrieben haben. Das ist schließlich der Sinn dieser Buchvorstellung.
Es geht um Irrtümer. Genauer gesagt, um Berliner populäre Irrtümer. Vielleicht ist es ja auch einer dieser Irrtümer, dass die Autoren – wie im Radio – immer witzig sind. Hier sind sie steif und dröge.
Im Anzug sitzen Verleger Ulrich Hopp, Lektor Christian Härtel und die beiden Autoren aufgereiht an einem langen Tisch. Genauso aufgereiht sind die Getränke und Häppchen, die für die Gäste auf den Tischen stehen. Das Ganze ist zu offiziell und inszeniert, könnte so auch im Kanzleramt stattfinden. Stattdessen ist ganz stilecht eine Urberliner Institution gebucht: das Zoo-Restaurant. Doch das interessiert hier keinen. Einer nach dem anderen stellt lediglich sich selbst und seine Arbeit vor.
Zuerst spricht Hopp, dann Härtel, zum Schluss noch Wieprecht. Skuppin lehnt sich zurück und schließt sich den Zuhörern beim Zuhören an. Wieprecht liest Passagen aus dem Buch vor. Ein Funken Leben kommt in die Veranstaltung als Wieprecht den Irrtum von der Milchmädchenrechnung erklärt. Die sei nicht stümperhaft und falsch, sondern tatsächlich eine geniale Art der Problemlösung. Härtel versucht mit seinen Fingern diese Rechnung bildlich darzustellen. Er kommt der Genialität der Rechnung sehr nahe und lockt den Zuhörern ein anerkennendes Aaah und Oooh heraus. Die restlichen Passagen finden wenig Resonanz, und mancher Zuhörer beschäftigt sich mehr mit den Häppchen als mit den Erklärungen der Autoren.
Dabei haben Wieprecht und Skuppin richtig gut recherchiert und wenig bekannte Storys aufgespürt wie die vom Ringverein: einer mafiosen Vereinigung der Zwanzigerjahre, die nach innen gewerkschaftliche strukturiert war. Beliebte Fakten, die der Berliner gern seinen Verwandten aus dem Süden erzählt, demontieren die beiden genüsslich: Der Tempelhofer Flughafen ist schon lange nicht mehr der größte Gebäudekomplex Europas, und am Gendarmenmarkt gab es auch nie eine Polizeistation. Mit herbem Humor, teils in autobiografischem Stil, nehmen die beiden sich derartige Irrtümer vor.
Diese Verspieltheit vermisst man bei der Buchvorstellung. Und wünscht sich, die beiden hätten das Ganze im gewohnten Umfeld eines Radiostudios präsentiert. Ohne Häppchen und Getränke. Ganz einfach so wie immer. BENJAMIN HERTZ
Volker Wieprecht, Robert Skuppin: „Berliner poluläre Irrtümer. Ein Lexikon“. berlin edition im Bebraverlag, 2005