: Bei bei den bosnischen Serben ist ein offener Machtkampf ausgebrochen
Banja Luka/Sarajevo (AP/dpa) – Bei den bosnischen Serben tobt ein offener Machtkampf zwischen dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Radovan Karadžić in Pale und den gemäßigten Politikern in der Großstadt Banja Luka. Der „Regierungschef“ des serbischen Teils von Bosnien-Herzegowina, Rajko Kasagić, sagte am Donnerstag, er werde seine Entlassung durch Karadžić ignorieren.
„Ich bin gefeuert, aber ich bleibe“, sagte Kasagić, der in den vergangenen Monaten für die Vereinten Nationen und die Nato zu einem gefragten Gesprächspartner auf seiten der bosnischen Serben geworden ist. „Ich werde Banja Luka gegen Pale verteidigen.“ Karadžić sei nicht gewählt und übe das Präsidentenamt daher unrechtmäßig aus. Er betreibe eine isolationistische Politik und wolle „einen bösen Staat“ schaffen, sagte Kasagić in Banja Luka. Politischen Beobachtern zufolge ist die Kluft zwischen Pale und Banja Luka inzwischen zu tief und zu öffentlich, um noch überwunden zu werden.
Ein Sprecher von Carl Bildt, der im Auftrag der internationalen Staatengemeinschaft den Wiederaufbau von Bosnien koordiniert, begrüßte die Erklärung von Kasagić. „Wir werde weiterhin mit Kasagić im Geschäft bleiben“, sagte Bildts Sprecher Colum Murphy. Er fügte hinzu, noch könne nicht eingeschätzt werden, wie Polizei und Armee zu Kasagić stehen. „Es ist bezeichnend, daß er Pale verlassen konnte und heil in Banja Luka angekommen ist“, sagte Murphy. Auch Vertreter der Nato in Sarajevo und des Flüchtlingshilfswerks UNHCR gaben an, mit Kasagić in Kontakt bleiben zu wollen.
Bildt traf gestern Vormittag zu Gesprächen mit Kasagić in Banja Luka ein. Auch Nato-Generalsekretär Javier Solana und der Oberkommandierende der Nato- Truppen in Europa, US-General George Joulwan, wollen ihn noch am gleichen Tag treffen.
Karadžić begründete seine Anordnung am Mittwoch damit, daß Ministerpräsident Rajko Kasagić ungeeignet sei und den Interessen des Volkes geschadet habe. Kasagić hingegen hatte kürzlich in einem Interview gesagt, daß Karadžić als mutmaßlicher Kriegsverbrecher nicht bei den allgemeinen bosnischen Wahlen im Herbst kandidieren solle, da dies das Friedensabkommen von Dayton nicht zulasse. Außerdem betrieb er die Entlassung von sechs Mitgliedern der „Regierung“, die als Parteigänger von Karadžić gelten.
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