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Banken bauen ihre Dritte-Welt-Kredite drastisch ab

■ 23 Milliarden Dollar Rückfluß in die Geldhäuser der Industrieländer / Mexiko-Schuldenplan als Hauptgrund / Verlangsamtes Osteuropa-Geschäft

Basel (ap/dpa) - Die Banken der Industrieländer haben ihre Ausstände in der dritten Welt im ersten Quartal dieses Jahres drastisch abgebaut. Zugleich flossen erneut Mittel in zweistelliger Milliardenhöhe aus den Entwicklungsländern auf die Bankkonten in den Industriestaaten. Das gesamte Bankgeschäft dieser Länder verlangsamte sich in den ersten drei Monaten dieses Jahres stark, wie aus dem jüngsten Quartalsbericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hervorgeht.

Waren die Forderungen der Banken des Berichtsgebiets - der Industrieländer - gegenüber den Ländern des sogenannten Außengebiets - dies sind im wesentlichen die Länder der Dritten Welt - im vierten Quartals 1989 noch um 6,6 Milliarden Dollar gestiegen, so kam es im ersten Quartal dieses Jahres zu einem beispiellosen Rückgang um 23 Milliarden Dollar auf total 701 Milliarden. Gleichzeitig erhöhten sich die Einlagen der Außengebietsländer bei den Banken des BIZ-Gebiets um weitere elf auf 585 Milliarden Dollar. Die Nettoforderungen der Banken gegenüber dem Außengebiet machten damit Ende März dieses Jahres noch 116 Milliarden Dollar aus, nachdem sie zwei Jahre zuvor noch etwa doppelt so hoch gewesen waren.

Für die Entwicklung der Gesamtverschuldung in der Zweiten und Dritten Welt sagt diese Zahl nichts aus, weil etwa Schulden bei Regierungen oder innerhalb der Länder des Außengebietes nicht berücksichtigt sind. Sie gibt allerdings einen deutlichen Hinweis darauf, daß sich die Geldhäuser immer stärker aus den verschuldeten Ländern zurückziehen.

Besonders akzentuiert waren diese Bewegungen im Verkehr mit den Entwicklungsländern: Die Forderungen der Banken nahmen im Berichtsquartal um 20 Milliarden Dollar ab, während die Neueinlagen aus der Dritten Welt zwölf Milliarden Dollar ausmachten. Opec-Länder sind dabei nicht berücksichtigt. Der Löwenanteil des Forderungsabbaus entfiel auf Lateinamerika: Die Ausstände der Banken gegenüber dieser Region verringerten sich um 18,6 Milliarden Dollar und gingen damit stärker zurück als im ganzen vorangegangenen Jahr (minus 16,5 Milliarden).

Mit Abstand am stärksten schrumpften die Forderungen gegenüber Mexiko, nämlich um 14 Milliarden Dollar oder mehr als 20 Prozent. Die BIZ führt diese Entwicklung auf das neue Schuldenabkommen mit Mexiko zurück, das erstmals eine Reduktion der Schulden und des Schuldendienstes enthielt. Von drei zur Auswahl stehenden Möglichkeiten hätten zahlreiche Banken jene gewählt, die den Austausch ihrer Forderungen gegen besicherte Anleihen mit einem Abschlag von 35 Prozent vorsieht. Zudem könnten einige Banken diese Gelegenheit benutzt haben, um Abschreibungen auf ihrem Engagement vorzunehmen, vermutet die Bank der Zentralbanken.

Auffallend ist zudem die Entwicklung des Bankgeschäfts mit China: Das Land stockte seine Einlagen um einen Rekordbetrag von 5,1 Milliarden Dollar auf, nachdem es bereits im Vorquartal Neueinlagen von 3,5 Milliarden Dollar gebildet hatte. Gleichzeitig bezog China nur eine Milliarde Dollar Neugeld von den Banken (1,5 Milliarden im Vorquartal), so daß es gegenüber den Banken eine Nettogläubigerposition von fünf Milliarden Dollar aufbauen konnte.

Das Bankgeschäft mit den osteuropäischen Ländern, das im Jahre 1989 noch floriert hatte, verlangsamte sich im Berichtsquartal deutlich. Die ehemaligen Ostblockstaaten zogen Einlagen von 1,8 Milliarden Dollar ab, und auch die Forderungen der Banken gegenüber diesen Ländern gingen leicht zurück. Die BIZ führt diese Entwicklung teilweise auf Unsicherheiten wegen der politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen in Osteuropa zurück.

Aber auch das Geschäft zwischen den Banken der Industrieländer lief im Berichtsquartal mit stark gedrosselten Motoren. Das Wachstum der grenzüberschreitenden Interbankforderungen ging im Vorquartalsvergleich markant von 176 auf 49 Milliarden Dollar zurück.

Darin spiegelte sich laut BIZ in erster Linie der Umschwung bei den Geschäften wieder, an denen Banken in den USA beteiligt waren. Eine drastische Reduktion des von den US -Banken gegenüber den höchstverschuldeten Ländern verzeichneten Engagements könnte indirekt zu einer starken Abnahme der Interbankpositionen zwischen den USA und anderen Finanzplätzen beigetragen haben.

Die gesamten grenzüberschreitenden Forderungen der Banken nahmen nur noch um gut ein Prozent oder 60 Milliarden Dollar zu, nachdem in den beiden Vorquartalen noch ein Anstieg von je 215 Milliarden Dollar verzeichnet worden war.

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