BUSHS AUSSENPOLITIK HAT DIE WELT NICHT SICHERER GEMACHT : Gefährliche Visionen
Der Parteitag der Republikaner machte eines deutlich: Was die Sicherheitspolitik angeht, leben sowohl die Partei als auch die von ihr gebildete Regierung unter einer ideologischen Glocke.
Während die Redner in New York nicht müde wurden, das Bild einer dank Präsident George W. Bushs Außenpolitik immer stabileren und sichereren Welt zu zeichnen, explodierten in Israel Busse, in Russland stürzten Flugzeuge ab und hunderte Schulkinder wurden als Geiseln genommen, im Irak ging der Guerilla-Kampf weiter und nepalesische Gastarbeiter wurden als Geiseln hingerichtet.
Aller Rhetorik von Freiheit und Demokratie zum Trotz: Die Welt ist nicht sicherer geworden. Terroristen lassen sich offenbar nicht mit Panzern und Jagdbombern bekämpfen. Ein kurzer Anflug von Realitätssinn hatte Anfang der Woche sogar Bush erfasst. Richtig stellte der Präsident fest, dass der Krieg gegen den Terror nicht zu gewinnen sei, so wie man auch Gewalt nicht abschaffen kann. Terror könne allenfalls begrenzt und kontrolliert werden. Wohl merkend, dass damit seine außenpolitische Doktrin zerbröckelte, korrigierte er sich sofort wieder und pries den Irakkrieg als wichtigsten Meilenstein im Antiterrorkampf.
Nur: Nach allen bisherigen Erkenntnissen war der Irakkrieg ein strategischer Fehler. Nicht nur, weil seine Rechtfertigung falsch war. Er lenkte auch vom eigentlichen Kampf gegen den Terror ab und bereitete dem islamischen Extremismus weiteren fruchtbarsten Boden.
All dies will oder kann Bush nicht sehen. Mehr noch: Er ignorierte in seiner Rede den Nahost-Konflikt, die Mutter aller Konflikte in der Region. Jeder Muslim weiß, dass es der Demokratisierung des arabischen Raumes nicht hilft, wenn die Iraker zu den Wahlurnen gehen, während die Palästinenser nicht in Würde leben können.
Bushs Vision eines demokratischen und Menschenrechte respektierenden Nahen Ostens verdient Anerkennung. Doch Visionen, die nur sehen, was sie wollen, sind oftmals nicht nur zum Scheitern verurteilt, sondern auch gefährlicher als nüchterne Realpolitik. MICHAEL STRECK