BUNDESREGIERUNG ZAUDERT, LÄNDER HEUCHELN, VOLKSWAGEN FREUT SICH : Lungenkrebs durch Dieselruß? Egal
Todgeweihte haben das Nachsehen: Dieselruß verursacht in Deutschland jedes Jahr bei mindestens 8.000 Menschen Lungenkrebs. Doch die Gesundheit der Bevölkerung spielt bei dem möglichen Kompromiss zur Förderung von Dieselrußfiltern so gut wie keine Rolle. Schon jetzt ist absehbar, dass der Entwurf kurzfristig nicht zu einer raschen Verbreitung der Filter führen wird. Eine nahezu kriminelle Unterlassung, denn tausende Menschen könnten gerettet werden, wenn sich die Bundesregierung nur zu einer Pflicht für Dieselrußfilter durchringen könnte.
Technisch ist das Problem, Dieselruß zu vermeiden, seit Jahren gelöst. Doch die Bundesregierung traut sich nicht, über ihren eigenen Schatten zu springen, und knickt vor den Interessen einiger Autokonzernen wie Volkswagen ein. Die Wolfsburger haben mit ihrer Blockade dafür gesorgt, dass der Rußfilter seit Jahren zu den ungeliebten Kindern der Regierungspolitik zählt. Dabei sieht man am Beispiel Frankreich, dass es auch anders geht. Dort bieten die Hersteller schon seit sechs Jahren Filter an, ohne dass die Verkaufszahlen für Diesel-Pkw zurückgegangen wären. Im Gegenteil.
Entsprechend halbherzig ist das nun vorliegende Ergebnis: 300 Euro Zuschuss werden nur wenige Dieselfahrer dazu bringen, für 1.000 Euro einen wirklich wirksamen Rußfilter nachzurüsten. Ein Riesenproblem sind auch die filterlosen neun Millionen Diesel-Pkw und zweieinhalb Millionen Lkw. Der angedrohte Steueraufschlag von 80 Euro über zwei Jahre wird aber kaum jemanden dazu bringen, einen Dieselfilter nachzurüsten.
Die Rolle der größten Heuchler fällt in dieser Diskussion aber wahrscheinlich den Ländern zu. Aus Furcht um Arbeitsplätze in der Autoindustrie holte sich Bayern Formulierungshilfe bei BMW für seine Dieselruß-Position. Über Initiativen im Bundesrat versuchen einzelne Bundesländer sogar, die Feinstaub-Grenzwerte der EU ganz zu kippen; wissend, dass 65.000 Tote jährlich auf das Konto Feinstaub gehen. Das ist ernüchternd, denn ihr Auftrag ist es eigentlich, uns vor der Lobby der Industrie-Betonköpfe zu schützen. TARIK AHMIA