BUNDESGERICHTSHOF STÄRKT KÜNFTIGE STROMMARKTREGULIERER : Urteil mit beschränkter Signalwirkung
Man könnte geneigt sein, das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) als historisch zu betrachten. Historisch allerdings nicht im Sinne von „epochal“, sondern mehr im Sinne von „veraltet“. Denn wenn sich heute noch ein Stromnetzbetreiber einerseits und das Kartellamt andererseits vor Gericht über Netznutzungsentgelte streiten, drängt sich die Frage auf, ob das Urteil noch relevant ist. Schließlich geht mit dem neuen Energiewirtschaftsgesetz – womöglich noch zum 1. Juli – die Aufsicht über den Strommarkt an die Bundesnetzagentur über, an die heutige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP). Das Kartellamt rückt damit in den Hintergrund – und das aktuelle Urteil verliert formal seine Bedeutung.
Signalwirkung hat das Urteil zugunsten des Kartellamts gleichwohl. Denn bei vergleichbaren Fällen wird die Netzagentur künftig auf die Kontinuität der BGH-Rechtsprechung setzen können. Folglich hat das Bundesgericht bereits die Position des Strommarktregulierers gestärkt, noch ehe der überhaupt seine Arbeit aufgenommen hat. Das heißt konkret: Auch die RegTP wird künftig einen beliebigen Stromnetzbetreiber zum Vergleich heranziehen dürfen, wenn sie die Netzentgelte eines bestimmten Unternehmens für überhöht hält. Dabei darf sie auch, wie im aktuellen Fall, ein Stadtwerk mit dem großen RWE vergleichen.
Wer nun allerdings als Verbraucher auf sinkende Strompreise spekuliert, dürfte enttäuscht werden. Denn auch mit diesem Urteil im Rücken werden die Aufseher nur dort einschreiten, wo die Netzpreise eklatant überhöht sind. Zum Rundumschlag werden sie nicht ausholen.
Und noch etwas spricht – neben steigenden Rohstoffpreisen – gegen einen Preisrutsch am Strommarkt: die Trägheit der Kunden. Denn die Preisaufsicht wird alleine über die Netzentgelte wachen. Die Kontrolle der Endkundenpreise ist nicht ihr Metier, weil hier Wettbewerb herrscht. Dass die Verbraucher diesen Wettbewerb bislang nicht in ihrem eigenen Interesse wahrnehmen und an ihren etablierten Versorgern kleben, ist nicht Sache der Marktaufsicht. Und das nutzen viele Unternehmen gerne aus – zum Beispiel mit überhöhten Strompreisen. BERNWARD JANZING