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Archiv-Artikel

BETTINA GAUS über FERNSEHEN Die Quelle ist absolut zuverlässig

Das Ansinnen, Susanne Osthoff mit dem Grimme-Preis zu bedenken, demontiert dessen Glaubwürdigkeit

Vor einigen Jahren brachte Queen Mum, damals schon hochbetagt, die seriösen unter den britischen Hofberichterstattern in Not: Es war bekannt, dass sie in einer Klinik lag. Das war aber auch alles, was bekannt war. Keine Pressekonferenzen, keine Bulletins, keine Indiskretionen. Wer etwas wusste, hielt dicht.

Scheußliche Situation für die Medien. Ein Tross von Reportern pilgerte zum Krankenhaus, die Redaktionen schrien nach Neuigkeiten – vergebens. Es gab einfach nichts zu berichten. Nur ein Fernsehjournalist stellte sich vor die Kamera und erzählte fröhlich von Genesungswünschen, Blumen und einem Fläschchen des geliebten Gin: lauter Liebesgaben, die aus den Reihen der Bevölkerung ans Krankenbett geschickt worden seien.

Woher er das denn wissen könne, erkundigte sich der Kollege der BBC, der später die Anekdote in einer Kneipe erzählte. „Die Quelle ist zuverlässig. Ich habe das Zeug selber hingeschickt“, antwortete der Reporter. Hübscher Einfall – und so vielseitig anwendbar.

Man spart sich als Journalist viel Arbeit, wenn man selbst die Nachrichten produziert, über die man gerne berichten möchte. Im Bereich der Fernsehunterhaltung ist das Verfahren längst erprobt. Shows wie die, in denen RTL einen Superstar sucht, erreichen vor allem deshalb so hohe Quoten, weil Klatsch als Beiwerk über Leute geliefert wird, für die sich ohne die Sendung niemals irgendein Zuschauer interessiert hätte.

Lukas der Lokomotivführer hatte Recht: das Perpetuum mobile funktioniert.

Wer für Schlagzeilen tatsächlich auf reale Nachrichten warten muss, kann aus dem Verfahren dennoch nützliche Lehren ziehen. Das öffentliche Aufsehen, das erregt wird, hängt schließlich wesentlich davon ab, wie eine Nachricht verkauft wird. Ein Fernsehzuschauer hat die im Irak entführte und später freigelassene Susanne Osthoff für den – bislang noch – renommierten Grimme-Preis vorgeschlagen.

Begründung: Sie habe sich bei ihren TV-Auftritten den „typisch festgefügten Projektionen, die sich Medien von Menschen und Geschehen machen“, eindrucksvoll entzogen. Nun ja. Die deutsche Archäologin eignet sich offenbar in besonderer Weise für Projektionen, selbst für die, denen sie sich angeblich entzieht. Den einen dient sie als Symbol für die befreite Frau, den anderen als Psychopathin, mal ist sie die verlorene Tochter, ein anderes Mal die Verräterin. Chacun a son gout.

Da alle Zuschauer berechtigt sind, der Nominierungskommission des Adolf-Grimme-Instituts ihre Vorschläge zu unterbreiten, dürften in den letzten Jahren zahlreiche absurde Ideen verworfen worden sein. Mehr als ein Achselzucken wäre auf entsprechende Anfragen hin nicht nötig gewesen. Was aber geschah? Ein Referent erklärte, er würde eine Nominierung befürworten. Die Tagespresse war begeistert. Und der Preis war entwertet.

Morgen werden die Nominierungen bekannt gegeben, und vieles spricht dafür, dass Susanne Osthoff keine Kandidatin sein wird. Das behebt den Schaden nicht, der angerichtet wurde. Man kann die Fernsehauftritte der Archäologin genial und subversiv finden. Und man kann vorschlagen, einen Preis für geniale und subversive Auftritte auszuloben. Der Grimme-Preis ist dafür nicht geeignet.

Der Physik-Nobelpreis wird schließlich auch nicht für die beste Antwort in einer spontanen Straßenumfrage vergeben, mag die auch noch so witzig sein. Die renommierten Fernsehpreise sollen Maßstäbe für Qualität definieren. Qualität ist kein Zufallsprodukt. Es ist das Ergebnis harter Arbeit.

Es geht nicht um den Nachweis, dass diejenigen, die für die Vergabe von Fernsehpreisen verantwortlich sind, selbst total jung, hip, modern und aufgeschlossen sind. Ausgelobt wird nicht der Preis für das coolste Jury-Mitglied, sondern für die beste Sendung. Um die küren zu können, muss man allerdings selbst an den Wert von Qualitätsfernsehen glauben. Und das nötige Selbstbewusstsein haben, um dafür einzutreten.

Fragen zur Queen Mum? kolumne@taz.de Morgen: Jan Feddersen PARALLELWELTEN