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Archiv-Artikel

BETTINA GAUS MACHT Die Strategiekonferenz des Weltpostvereins

Auch in Kenia ist die Post mittlerweile von gestern – und nicht nur in dieser Beziehung sind afrikanische Verhältnisse weniger weit weg, als man denkt

Keine Ahnung, was ein Inlandsbrief in Kenia koste, sagt der mittelständische Unternehmer in Nairobi. Er erledige seine gesamte Post per Mail. Ob der Kellner helfen kann? Der zögert. „Irgendwas um die 25 Schilling, glaube ich.“ Stimmt. Also umgerechnet etwa halb so viel wie bei uns. Wann hat er denn den letzten Brief geschrieben? „Vor ungefähr neun Monaten. Eine Glückwunschkarte. Das mache ich ein- oder zweimal im Jahr.“ Ja, ungefähr so häufig verschicke ich Telegramme. Zu Hochzeiten, beispielsweise. Als nette, altmodische Geste.

Ende des Monats findet in Nairobi die Strategiekonferenz des Weltpostvereins statt, einer Unterorganisation der Vereinten Nationen. Es ist die erste derartige Zusammenkunft in Afrika. Vor 20 Jahren hätten die Vorbereitungen für eine solche Konferenz über Wochen hinweg die Schlagzeilen beherrscht. Jetzt findet sich eine Meldung auf Seite 28 in einer der Tageszeitungen.

Briefe werden von vielen Leuten inzwischen für ebenso altmodisch gehalten wie Postkutschen. Und auch andere Dienste der Post spielen eine immer geringere Rolle: Über einen telefonischen Festnetzanschluss verfügen nur noch 1,2 Prozent der kenianischen Haushalte – aber 63,2 Prozent haben ein Mobiltelefon. Wer selber keins hat, lässt sich bei Bedarf von Nachbarn oder Freunden helfen. Über das Mobiltelefon kann auch Geld verschickt werden – die Postbank hat ausgedient.

Es sei ja nicht so, dass die Post nicht versucht habe, mit der Zeit zu gehen, meint der Unternehmer. „Sie haben Stationen für Internetempfang im ganzen Land aufgestellt, offenbar in der Vorstellung, dass der Kleinbauer dann zum Postamt geht, um seine Mails zu lesen.“ Er lacht.

Dann wird er ernst: „Früher repräsentierte das Postamt im Dorf das staatliche System – auf der untersten Ebene. Damals arbeiteten dort auch qualifizierte, gut ausgebildete Leute. Ein Bauer, der nicht lesen und schreiben konnte, ging zur Post und dort würde jemand einen Brief für ihn verfassen, gegen eine Gebühr. Aber jeder Bauer kann telefonieren. Er braucht den Staat nicht mehr, um zu kommunizieren.“

Der Unternehmer findet diese Entwicklung großartig. Unabhängigkeit und die Freiheit der Wahl zwischen verschiedenen Anbietern sind ja auch erfreulich. Aber der Niedergang der Post bleibt doch nicht folgenlos. Wie lange wird sich der Staat ein flächendeckendes Netz von Zweigstellen leisten? Und was, wenn das Mobiltelefon dann doch einmal nicht ausreicht, um alles Notwendige zu erledigen? Im Nordosten des Landes verfügen ganze 0,6 Prozent der Haushalte über einen Computer. Die Kluft zwischen Stadt und Land wird breiter, zwischen Alt und Jung ebenfalls, zwischen der Bildungselite und allen anderen auch. Schön, dass wir nur über Kenia reden.

Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz Foto: Amélie Losier