BETREUUNGSGELD KRIEGEN DIEJENIGEN, DIE EH SCHON GENUG HABEN. UND WARUM WIRD UNTERSCHLAGEN, DASS AUCH FAMILIEN, DIE DIE KRIPPE NUTZEN, NACHTS MIT DEM KRANKEN KIND DURCH DIE WOHNUNG LAUFEN? : 150 Euro obendrauf
KATRIN SEDDIG
Hamburg hat gegen das Betreuungsgeld geklagt. Der Senat hat eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht und darüber wurde am Dienstag verhandelt. Angeblich verletzt das Betreuungsgeld den Grundsatz der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Tut es das? Ich bin mir nicht sicher: Bliebe ein Mann mit dem Kleinkind zu Haus, würde der Familie das Betreuungsgeld ebenso zustehen, wie wenn die Frau zu Hause bliebe.
Nun, es gibt Männer, die zu Hause bleiben. Ich habe selbst welche kennengelernt, einen. Gut, ich habe hauptsächlich Frauen in der Situation kennengelernt. Ich habe mich selbst eines Tages da wiedergefunden und kann nur sagen, es gab glücklichere Zeiten in meinem Leben. Aber wenn eine Frau dies nun möchte, zu Hause bleiben und sich kümmern, kochen, putzen und dann vielleicht noch ein Baby kriegen und dann noch eins, dann soll sie dies tun und dann soll ihr, finde ich, keiner einen Vorwurf machen dürfen.
Es ist ja auch dies Teil der emanzipatorischen Freiheit und eine ganz persönliche Entscheidung, die sie entweder glücklich oder unglücklich oder vermutlich irgendwas dazwischen machen wird. Irgendwas dazwischen sind wir aber ja fast alle. Anders als glücklich. Und wenn sie das dann macht, zu Hause bleibt und sich kümmert, soll sie sich dann nicht auch ein bisschen Geld verdient haben? 150 Euro. Geht einer nicht arbeiten, weil er 150 Euro im Monat bekommt? Wohl kaum. Wenn die Familie wirklich Geld braucht, wird sie ihr Kind in die Krippe geben. Wenn sie es aber nicht braucht, weil sie über ein hohes Einkommen verfügt, kriegt sie die 150 noch obendrauf.
Aber wie sieht es mit den wirklich Armen aus, denen, die ALG II beziehen und für die 150 Euro schon irgendwie Geld wäre? Die betreuen zwar auch, aber Geld kriegen sie nicht – weil das angerechnet wird. Geld kriegen nur die, die nicht arbeiten brauchen, weil genug Geld da ist. An diesem Punkt stelle ich eine klitzekleine Ungerechtigkeit fest.
Und noch etwas sträubt sich in mir gegen diese eher formelle denn wirklich finanzielle „Anerkennung“ für Selbstbetreuende: Zum einen wird in der Diskussion immer suggeriert, dass die Fremdbetreuenden im Gegensatz zu den Selbstbetreuenden stünden. Das ist aber sowohl frech als auch falsch: Familien, die ihre Kinder in die Krippe geben, betreuen ihre Kinder auch selbst. Auch wenn die Kinder für ein paar Stunden in einer Einrichtung sind, liegt die Verantwortung und die Hauptarbeit immer noch bei den Eltern. Die Eltern laufen nachts mit dem kranken Kind durch die Wohnung, die Eltern sorgen, planen, bereiten auf das Leben vor. Sie betreuen ihr Kind ebenso selbst, wie die, die mit dem Kind zu Hause bleiben.
Zum anderen hat man in dieser unseligen Diskussion immer wieder hören müssen, vor allem von Männern, dass die Natur die Mutter zur einzig richtigen Betreuerin erkoren habe, und jede Entscheidung für eine aushäusige Betreuung aus geldgierigen oder egoistischen Gründen und zum Nachteil des Kindes und der Gesellschaft erfolge. Ich weiß in solchen Diskussionen immer gar nicht, wer diese Natur eigentlich sein soll. Warum geht man immer davon aus, dass die Mutter der einzig richtige Umgang für ein Kind ist? Vielleicht wären ein Haufen anderer Leute in einigen Fällen viel kompetenter als irgendeine Mutter. Mütter sind auch nur Menschen – und manchmal einfach unfähig.
Jedenfalls, das Betreuungsgeld nützt nur denen, die sowieso genug haben. Und es ist andererseits zu wenig, um jemandem die Entscheidung, zu Haus zu bleiben, abzunehmen. Die neunhundert Millionen könnten besser in Kinderbetreuung investiert werden. Oder in öffentliche Spielplätze. Die sehen in den nicht so reichen Stadtteilen oft vergammelt aus. Deshalb finde ich die Hamburger Klage mal eine gute Sache.
Katrin Seddig ist Schriftstellerin und lebt in Hamburg, ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen. Ihr neuer Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.