BERND PICKERT ÜBER DIE NSA-ABSTIMMUNG IM US-KONGRESS : Trendwende
Das war knapp. Nur zwölf Stimmen unterschieden im US-Repräsentantenhaus die Ja- und die Neinsager, als am Mittwoch ein Gesetzentwurf knapp durchfiel, mit dem der Spionagebehörde NSA das flächendeckende Observieren von Telefongesprächen untersagt werden sollte. Zwar hatte Präsident Barack Obama schon angekündigt, das Gesetz per Veto zu verhindern, sollte es im Kongress eine Mehrheit finden. Das Ergebnis aber zeigt: Die parteiübergreifende Einstimmigkeit in nationalen Sicherheitsfragen, die sich in den USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 herausgebildet hatte, ist in Auflösung begriffen.
Eine Minderheit libertärer Republikaner stimmte mit einer Mehrheit liberaler Demokraten für ein Gesetz, dass der Demokrat Obama gemeinsam mit dem republikanischen Repräsentantenhaussprecher John Boehner vehement ablehnt – das gab es so noch nie.
Mit dem knappen Niederstimmen des Gesetzes steht die politische Führung gegen die öffentliche Meinung – die meisten US-Amerikaner lehnen die flächendeckende Datensammelei ab; viele sehen darin eine Verletzung des vierten Verfassungszusatzes, der die Privatsphäre der Bürger vor staatlichem Zugriff schützt.
Präsident Obama täte gut daran, aus dem knappen Abstimmungsergebnis Konsequenzen zu ziehen. Er hat seit Amtsantritt in nahezu allen Bereichen des „Anti-Terror-Kampfes“ die Politik seines Amtsvorgängers fortgesetzt – oder sogar verschärft. Die Empörung kleiner bürgerrechtlich motivierter Teile der demokratischen Basis nahm Obama gern in Kauf, sicherte er sich doch gleichzeitig gegen den üblichen Vorwurf der Rechten an demokratisch geführte Regierungen ab, eine zu lasche Sicherheitspolitik zu betreiben. Obama kann nicht mehr wiedergewählt werden, aber innerhalb der Demokratischen Partei signalisiert die Abstimmung eine Rückbesinnung. Noch will Obama führen – er sollte auf die Partei hören.
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