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Archiv-Artikel

BEIM ROT-GRÜNEN STREIT ÜBER ASYLCAMPS GEHT ES UM GRUNDSÄTZLICHES Schilys neues Europa

Es ist wieder so weit. Schily und die Grünen streiten. Diesmal über Asylcamps irgendwo in Afrika. Schily ist klar dafür, die Grünen strikt dagegen. Wirklich überraschen kann das niemanden. Die Rangeleien zwischen dem sozialdemokratischen Innenminister und dem kleinen Koalitionspartner gehören inzwischen genauso zum Berliner Politikzirkus wie Bierzeltschlägereien zum Münchner Oktoberfest. Hier wie dort genügt ein böses Wort, schon fliegen schnell die Fäuste. Hier wie dort schaut das Publikum eher belustigt zu, weil es weiß: Die Kontrahenten tun sich nicht wirklich weh, einigen sich auf ein Unentschieden und sitzen wenig später wieder brav am Bier- bzw. Regierungstisch zusammen. Also alles halb so schlimm? Schließlich hat es ja selbst beim bisher heftigsten Schily-Grünen-Streit, über das Zuwanderungsgesetz, am Ende funktioniert, das Zusammenraufen.

Ganz so locker sollte man die Streitereien um die so genannten Auffanglager lieber nicht betrachten. So sehr persönliche Animositäten zwischen Schily und seinen früheren Parteifreunden die Debatte prägen mögen: Es geht um die grundsätzliche Ausrichtung der deutschen und – was noch wichtiger ist – der europäischen Flüchtlingspolitik. Dagegen waren die meisten Details im nationalen Zuwanderungsgesetz ein Pappenstiel. Damals ging es im Grunde vor allem um die Frage: Versteht sich Deutschland als Einwanderungsland oder nicht? Was folgte, war ein unentschlossener Kompromiss. Diesmal versucht Schily, größere Pfeiler einzurammen. Setzt er sich durch, ist der Trend der nächsten Jahre vorgezeichnet: Europa schottet sich weiter ab, lässt Asylanträge außerhalb der EU-Grenzen „klären“ und gewährt Flüchtlingsschutz nur noch willkürlich als Gnadenakt.

Das laute Nein der Grünen dazu stört Schily bisher herzlich wenig. Er geht erst gar nicht mehr ins kleine Berliner Bierzelt, ignoriert das deutsche Parlament und sucht sich seine Partner anderswo – in Italien, Österreich und Großbritannien. Man darf gespannt sein, ob die Grünen noch die Kraft aufbringen, Nein zu sagen, wenn Schily eine Mehrheit in der EU gefunden hat. LUKAS WALLRAFF