BEIM ESSEN, IM KONZERT : Oktopus dirigiert
„Hättest du Batman gerne zum Freund?“, fragt Fup. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Frage nicht in der Absicht gestellt wurde, mir gewisse Verpflichtungen aufzuhalsen, und sage deshalb: „Weiß nicht.“ – „Aber guck mal“, sagt Fup und breitet die Arme aus, „wenn du von einem Oktopus angegriffen wirst, dann kommt Batman und rettet dich.“ Ich weiß gar nicht, wie ein Oktopus aussieht. Aber es leuchtet mir ein und ich sage: „Verstehe.“ Abends sitze ich im „Sale&Tabacchi und esse Vitello Tonato.
Der Oberkellner mit den schwarz gefärbten Haaren und der Brille, die ihm vorne auf der Nasenspitze sitzt, sagt irgendwas auf Italienisch, was ich nicht verstehe. In dem, was ich nicht verstehe, kommt „Joschka Fischer“ vor. Das verstehe ich. Und dann kommt Joschka Fischer und plötzlich weiß ich, wie ein Oktopus aussieht. Aber Batman muss nicht eingreifen. Der Oktopus trägt Levis und ein schwarzes Jackett, quasi den Klassiker dieser Generation. Zumindest darin ist er sich treu geblieben. Ich esse schnell auf und gehe ins klassische Konzert. Zum ersten Mal.
Am meisten interessiert mich die Bassgeige. Wegen der Bassgeige in „Manche mögen’s heiß“, weil die Mafia sie mit Einschusslöchern verziert hat. Die Bassgeige im Konzert ist nicht mit Einschusslöchern verziert, allerdings sehe ich sie von meinem billigen Platz aus nur von hinten.
Der Bassgeigenmann spielt nur wenige Töne, macht seine Arbeit aber mit viel Hingabe. Der Dirigent trägt einen Frack und langes, wallendes Haar, wie es sich für einen Dirigenten gehört, nur schwarz gefärbt statt weiß. Und er hat einen Tick. Nach jedem Stück gibt er dem Pianisten die Hand und verschwindet. Dann kommt er zurück, gibt wieder nur dem Pianisten die Hand und beginnt, das nächste Stück zu dirigieren. Und da er sehr viele Stücke dirigiert, geht er ständig raus und rein. Wie ein Oktopus. Oder so was Ähnliches.
KLAUS BITTERMANN