BEI ENDART : Kunst und Entgiftung
Ausstellungseröffnung bei Herrn „Endart“ mit dem in der Kunstwelt einzigartigen Namen Klaus Theuerkauf. Da kann ich Miss Trixie mal zeigen, was moderne Kunst ist. Als Erstes treffe ich den unter dem Namen Karin Kramer firmierenden Anarchisten, inzwischen aber zum Anachronismus konvertierten Bernd Kramer, der mir sagt, dass er jeden Tag reicher wird. Nach einer Pause, die lang genug ist, um zu denken, davon kannst du aber höchstens träumen, sagt er: „An Erfahrung.“ Damit sind wir beide in der Tat reichlich gesegnet, nützen tut sie uns aber trotzdem nichts. Dann sagt Herr Kramer bewundernd: „Ich möchte mal wissen, wann der Theuerkauf das alles gemacht hat. Ich dachte, der säuft ständig. Steht ja jede Menge Zeugs rum.“
Das „Zeugs“ ist blasphemisch und verstößt gegen Sitte, Anstand und Moral. Am besten gefällt mir eine Gruppe Bambis in gestreiften Häftlingsanzügen vor einem Wachturm, auf dem eine kleine fiese Soldatenfigur mit MP im Anschlag steht. Das Stillleben hinter Glas wird gerade noch geklebt, kostet 1.500 und heißt Bambi-KZ. Das mag Miss Trixie gar nicht, und noch viel weniger begeistert ist sie von den Stofftieren mit Riesenpimmel, die ans Kreuz genagelt sind und bluten.
Auch mein Lieblingsbuchhändler blutet, allerdings unterhalb der Nase, und es ist echtes Blut, das einfach nicht zu stoppen ist. Der Verbandskasten im Atelier stammt noch aus NVA-Beständen und ist für dieses Zivilopfer nicht gerüstet. Freunde kommen und machen Fotos von ihm. Ich gehe in die nächste Apotheke und besorge blutstillende Watte, mit der sich mein Lieblingsbuchhändler einen Hitlerschnurrbart fertigt. „Morgen geh ich in die Klinik zur Entgiftung“, sagt er mit einem Bier in der Hand. „Freust du dich schon?“, frage ich. „Ja, vor allem auf die Dose Bier morgen früh im Taxi, wenn ich mich in die Anstalt bringen lasse.“ KLAUS BITTERMANN