BAUMSCHICKSALE : O Tannenbaum
Die Türen des lebenden Adventskalenders öffnen sich in Pankow samstags um 12. An diesem Samstag hatte eine Künstlerin eine geschmückte Zimmertanne im Topf zum Mittelpunkt ihrer Ausstellung gemacht. Sie diente als Beispiel. Wie ein Weihnachtsbaum auch leben kann. Gehegt und undercover als Zimmergrün und mit Kugeln und Kerzen alle Jahre wieder gekrönt zum Fest.
Eigentlich thematisierte das Event aber das Schicksal der vielen Kollegen, der ausgesetzten Weihnachtsbäume. Diese Ausrangierten hatte die Künstlerin nach einem Weihnachtsfest während eines Streifzugs durch Pankows Straßen porträtiert. Lausig abgeschmückte Tannen waren zu sehen, schön verweht von einem Sturm. Ein Baumskelett, das aussah, als habe die Tanne in der Adventszeit mit einer finalen, fatalen Dürre gerungen, gehörte auch zur Sammlung. Besucher mutmaßten bei Glühwein und Gebäck, vielleicht habe sich das Gerippe ja bereits seit über einem Jahr in den Straßen herumgetrieben.
Gäste erzählten spontan O-Tannenbaum-Geschichten. Von einem Baum war die Rede, der sich wie „Heimat“ angefühlt habe, weil er aus dem Geburtsort importiert wurde. Da man sich nicht bei Zeiten von dieser Tanne verabschieden mochte, habe sie noch bis in den Frühling auf dem Balkon gestanden. Von dort aus ging sie allerdings den Nachbarn auf die Nerven. Leise rieselten die Nadeln. Ein anderer Weihnachtsbaum wuchs aus allen Töpfen heraus. Er wurde „ausgewildert“. Heiligabend erhält er nun stets im Wald Besuch von seiner Gastfamilie.
Eine Geschäftsidee für ein neues Unternehmen kristallisierte sich heraus. Ob wir Tannenspitzen schon einmal genau beachtet hätten, wollte eine Frau wissen. Es lägen jedes Jahr abertausende auf den Straßen herum. Sie seien praktisch verästelt. Abgesägt und sorgfältig geschält ergäben sie einen hervorragenden Quirl. GUNDA SCHWANTJE