BARBARA DRIBBUSCH über GERÜCHTE : Ein rotes Herz für die Küche
Schenkt Karrierefrauen mehr Liebe! Dann müssen sie sich keine Personal Trainer mehr kaufen
Es heißt ja, Liebe sei das einzige Gut, das nicht weniger wird, wenn man es großzügig verschenkt. Ich bin mir da nicht so sicher.
Ich glaube, die Dinge liegen komplizierter. Denn wenn die Sache mit der Liebe so einfach wäre, warum, so fragte mich neulich meine Freundin Britt, „haben wir eigentlich diese boomende Dienstleistungsbranche für Zuwendung, die immer mehr Frauen in Anspruch nehmen?“
An jenem Morgen joggen wir um die Krumme Lanke im Grunewald in Berlin. Zwei Runden schaffe ich, aber nur, wenn ich sehr langsam laufe. Kurz hinter der Stelle mit dem Baumstamm, der ins Wasser ragt, ist uns die Frau begegnet. Blond, Anfang vierzig. Sie joggt sehr viel schneller als wir. Kontrolliertes Ausatmen. Neben ihr läuft ein breitschultriger Typ im blauen Sweatshirt, vorne trägt er die Aufschrift: „Personal Trainer“. Auch hinten auf dem Sweatshirt ist der Titel aufgedruckt, stelle ich fest. Ich habe mich nach ihm umgedreht.
„Personal Trainer“, sagt Britt und betont das Wort fast etwas verächtlich, so wie „pösonall tränah“, „das ist bestimmt einer von den Trainern aus diesem schweineteuren Fitnessstudio in Halensee. Die Frau zahlt doch bestimmt 50 Euro für den Typen, nur dass der mit ihr um den See joggt und ein bisschen was voratmet.“ „Das haben wir billiger“, stimme ich zu. Irgendwie klinge ich wie ein hämisches Klatschweib, fällt mir auf.
Wir passieren den Sandstrand. Es ist ein sonniger Spätsommermorgen. Zwei alte Frauen sind in den See gewatet, eine der Frauen fängt an zu kraulen. Das wenigstens hat die Frauenbewegung an Positivem gebracht, denke ich. 70-jährige Frauen, die munter im See planschen und nicht mehr hochgereckten Hauptes schwimmen, um irgendwelche Betondauerwellen nicht zu gefährden.
„Personal Trainer, Yogalehrer, Friseure, auch Psychotherapeuten“, fährt Britt fort, „eine ganze Industrie kümmert sich doch heute darum, dass sich Frauen irgendwo Zuwendung kaufen können. Nur gibt eben keiner zu, worum es dabei wirklich geht.“ Eine der Lieblingstheorien von Britt über die Singlegesellschaft besagt, dass wir alle nach Aufmerksamkeit hungern, aber die alten Formen verloren gegangen sind, in der man diese Zuwendung bekommt. Was nicht zuletzt an der Emanzipation der Frauen liege, die heute genauso viel Aufmerksamkeit für sich beanspruchen wie Männer. „Anna Freud hat mal geschrieben, das Faszinierende an der Psychoanalyse in den 20er-Jahren lag darin, dass Frauen als Patientinnen zum ersten Mal in ihrem Leben einen Mann fanden, der sich stundenlang und ausgiebig für ihr Seelenleben interessierte“, berichtet Britt. Sie ist psychologisch schon sehr bewandert.
Ich schaue schräg hinüber zu der kleinen Brücke am Ende des Sees. Dort steht jetzt die blonde Frau mit ihrem Personal Trainer. Beide haben ein ausgestrecktes Bein auf das Brückengeländer gelegt, der Mann zeigt ihr eine Stretchübung. „Ich kann’s mir vorstellen, diese Interaktion da“, sagt Britt, „der Typ wird ihr was erklären, und sie dann aber vor allen Dingen loben. ‚Gut, ist schon viel besser als beim letzten Mal‘ und so weiter. Loben ist alles.“ Irgendwie klingt Britt etwas besserwisserisch. Dabei ist sie eigentlich ein warmer Mensch. Als Theresa kürzlich ihren Single-Blues hatte und sich beklagte, niemand würde ihr nachtrauern, wenn sie stürbe, schenkte ihr Britt ein rotes Herz aus Pappe. Chrissy, Britt, ich und Pit und Thomas hatten unsre Namen in das Herz geschrieben. Das Herz hängt nun bei Theresa in der Küche.
Am Ufer flattern zwei Schwäne auf und streifen über das Wasser. Ich weiß immer nie genau, ob die Vögel nun rasend schnell über das Wasser laufen oder schon fliegen. Plötzlich sieht alles herbstlich aus. Vorne an der Kurve kommt uns wieder die Frau mit ihrem Personal Trainer entgegen. Sie sind eindeutig flotter als wir. Auch Britt legt jetzt an Tempo zu. Ich komme nicht mehr mit. „Wenn du schneller laufen willst“, sage ich atemlos, „brauchst du einen Personal Trainer.“ Aber wozu. Auch ohne Trainer kommt man irgendwo an.
Fragen zu Liebeshunger? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Maußhardt über KLATSCH