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Archiv-Artikel

BARBARA DRIBBUSCH über GERÜCHTE Den Tiger im Wald anlächeln

Angela kandidiert, Sigrid macht ein Führungstraining, und ich wäre jetzt auch mal gerne Chef

Vielleicht haben auch Sie Probleme mit Chefs. Chef sein! So was machen doch nur Menschen, die über keine besonderen Begabungen verfügen, seit drei Jahren keinen Roman mehr ausgelesen haben und jedenfalls garantiert kein Instrument spielen können. Diese leise Verachtung teilte ich auch. Bis vor kurzem, als mir Freundin Siggi von ihrem Führungstraining erzählte.

„Chef sein heißt doch heute nicht mehr, den Leuten irgendwas zu befehlen“, sagt Siggi und legt ihre Beine auf einen Stuhl in der Küche, „du musst den Menschen vielmehr das Gefühl geben, dass du sie nur dazu bringst, etwas zum Wohle der Firma und damit auch zu ihrem eigenen Besten zu tun. Dass du ihnen nützlich bist.“ Sigrid streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Als sie kürzlich stellvertretende PR-Chefin in einem großem Wirtschaftsverband wurde, ließ sie ihre blonden Haare auf Kinnlänge stutzen. Lange, offene Haare seien ein Unterwerfungssignal, hatte sie behauptet. Und „erotische Signale musst du als Frau sowieso meiden, sonst wirst du nie Chef“, hatte sie mir erklärt. Und „Siggi“ will Sigrid auch nicht mehr gerne heißen.

„Erst beim Coaching merkte ich, was man alles falsch machen kann in der Kommunikation mit Mitarbeitern“, erzählt sie. Siggi hatte im Rollenspiel die Aufgabe, einer „Untergebenen“ mitzuteilen, dass diese in eine andere Abteilung versetzt werden sollte, weil die Kollegen Schwierigkeiten mit ihr hätten. Es war ein Fehler, dass Siggi ihre Armbanduhr vor sich auf den Tisch abgelegt und dann auch noch ihre Gesprächspartnerin unwissentlich so positioniert hatte, dass ihr die Sonne ins Gesicht schien. „Das sind Herrschaftssignale, die musst du vermeiden“, erläutert Siggi. Auch erklärte ihr der Coach, dass sie das Gespräch mit einer zehnminütigen „Aufwärmphase“ hätte beginnen sollen. „Zuerst hätte ich ganz allgemein fragen sollen, wie sich Frau Soundso denn so fühlt in der Abteilung, was ihr an der Arbeit Spaß macht und so weiter.“

Aufwärmphase! Unverfängliche Fragen! Mir fiel ein Wochenendkurs im „Neurolinguistischen Programmieren“ ein, den ich vor vielen Jahren mal besucht hatte, als ich bei einem höchst quotenabhängigen Privatsender arbeitete. In dem Kurs lernte man das „Spiegeln“, das heißt, man ahmt die Körperhaltung und Sprechweise des Gesprächspartners unauffällig nach, bestätigt ihn, um dann erst allmählich mit dem eigenen Anliegen herauszurücken und ihn so unmerklich auf die eigene Seite zu ziehen. Auch andere KollegInnen bei jenem Privatsender hatten solche Kurse absolviert.

Es herrschte danach einige Verwirrung in der Unternehmenskommunikation, als mehrere Mitarbeiter gleichzeitig versuchten, sich gegenseitig zu spiegeln und keiner mehr wusste, wer eigentlich mit was genau angefangen hatte.

„Der asiatische Führungsstil ist jedenfalls eindeutig im Kommen“, behauptet Siggi und verschränkt die Arme hinter dem Kopf, „nimm die Energie deines Gegners und verwandele sie in deine eigene.“ Asiatischer Führungsstil! Ein Freund hatte mir mal ein Buch geschenkt mit allerlei asiatischen Verhaltensregeln, den Gegner auf die sanfte Tour zu unterwerfen. „Lächle den Tiger im Wald an“, hieß es da, und „mache Lärm im Osten, um im Westen zu siegen“. „Das Schaf mit ruhiger Hand wegführen“ klang jedenfalls noch am besten. Da kann man selbst auch mal bei Bedarf nur das Schaf sein und es geht einem trotzdem nicht ganz schlecht.

„Wenn du älter wirst, hast du nun mal nur die Wahl: Entweder du steigst auf, wirst Führungskraft, oder du stagnierst, wirst allmählich beiseite gedrückt“, Siggi hat sich in Fahrt geredet. Mir schwant, dass das Gespräch noch länger dauern könnte. Aber das mit dem Älterwerden ist ja nicht ganz falsch. Genau deswegen ist Angela Merkel doch plötzlich so beliebt. Nicht wegen ihrer Politik, die bekanntlich unter aller Kanone ist, sondern weil sie es als Frau so geschickt verstanden hat, der Altersdiskriminierung zu entgehen, die ihr als 50-Jähriger drohte. Lass dich einfach zur Bundeskanzlerin in spe küren! Und schon bleibst du obenauf. Guter Trick.

Angela Merkel werde ich trotzdem nicht wählen. Lieber werde ich jetzt selbst mal Chef. Irgendwas findet sich da bestimmt.Aus dem Nebenzimmer sind Kampfgeräusche zu hören. Die Jungs haben eine DVD eingelegt, „Last Samurai“. Ein gurgelnder Schrei ertönt. „Es war ihm eine Ehre, von mir getötet zu werden“, schallt es aus dem Fernseher. So kann man es auch sehen.

Fragen an die Chefin? kolumne@web.de Morgen: Philipp Maußhardt über KLATSCH