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Archiv-Artikel

BARBARA DRIBBUSCH über GERÜCHTE Die neue Trophäenfrau

Winfried, 53, hat eine neue Freundin. Und ich wähle jetzt doch nicht Angela Merkel

Alte Männer, junge Frauen! Uaah! Eigentlich wollte ich zu diesem Thema keine nörgelige Zeile mehr schreiben. Nicht nur weil es zu abgegessen ist. Sondern auch, weil man als Lady in mittleren Jahren sofort unter Verdacht gerät, eine Moraltante zu sein, die den Fünfzigern ihre jungen Zweit- und Drittfrauen neidet, weil sie selbst keine Schnitte mehr bei den Männern macht. Ein Loser zu sein ähnlich wie die Softies, die sich in diesen neuen Männerbüchern beklagen, dass die Frauen immer nur Kerle mit Kohle und Status bevorzugen, was ja auch eine tieftraurige Sache ist. Doch wer sich darüber beschwert, hat offenbar selbst ein Problem.

Also keine Zeile mehr über alte Männer und ihre jungen Frauen.

Doch dann kam der Dienstagabend mit Winfried.

Wir spazierten eine Runde um den See im Tiergarten. Eigentlich hatte ich meinen alten platonischen Freund Winfried nicht mehr unbedingt treffen wollen. Meine Zuneigung zu ihm war ein bisschen geschwunden. Gerade 53 Jahre alt geworden und Architekt, war er der Prototyp des Alt-Casanovas mit Möchtegern-Effekt. Geduldig hatte ich mir in den vergangenen Jahren seine jeweils aktuellen Frauengeschichten angehört, das Leuchten in seinen Augen registriert, als diese 33-jährige PR-Referentin bereit war, mit ihm ein paar Abende zu verbringen. Die fast schon unterwürfige Anpassungsbereitschaft, mit der er einen beruflichen Termin umschmiss, als jene junge Landschaftsplanerin ihm einen Konzertbesuch vorschlug. Seine Hoffnung, dass sich die platonische Begegnung mit ihr demnächst in eine sexuelle verwandeln könnte, man dürfe nun mal nichts überstürzen. Dass er sich nur von jungen Frauen angezogen fühle, sei eben „ein altes Programm in uns Männern“, pflegte er zu sagen. Und grinste dabei, als sei er ein ganz schlimmer Junge. Es war ein bisschen deprimierend.

Ich hatte natürlich versucht gegenzuhalten, up to date zu sein. Ich hatte von Frauen in meinem Bekanntenkreis berichtet, die jetzt jüngere Partner hätten, dass das ein Trend sei und überhaupt gebe es ja Millionen ungebundener, gut gebauter junger Männer in der Welt und so weiter. Was man so redet. Nach einem solchen Abend mit Winfried fühlte ich mich wie eine wandelnde Sprechblase.

Vorsichtshalber hatte ich deshalb am vergangenen Dienstag ein politisches Thema angesteuert. „Vielleicht wähle ich doch Angela Merkel“, sagte ich, während wir um den See im Tiergarten kreisten. „Wie sie diese Gehässigkeiten, dieses Chauvitum in der politischen Szene ausgehalten hat, das ist doch bewundernswert. Allein schon die starke öffentliche Präsenz einer Frau in mittleren Jahren, die durchschnittlich aussieht, ist doch ein Fortschritt.“ Ich redete mich in Fahrt. „Früher habe ich immer die Grünen gewählt, trotz Joschka Fischer. Jetzt könnte ich ja mal für Angela Merkel votieren, trotz der CDU.“ Ich war ein bisschen stolz auf diese geniale Dialektik. Doch Winfried hörte nicht richtig zu.

„Ich muss heute übrigens schon um halb zwölf zu Hause sein, ich habe eine neue Liebe“, erklärte er plötzlich. Stolz schwang in seiner Stimme. Ich sagte vorsichtshalber nichts. „Übrigens, damit du es weißt, sie ist 48!“, verkündete er triumphierend, als brächte er eine Trophäe nach Hause. Die Galeristin sei zuerst gar nicht sein Typ gewesen, groß und dünn, die Füße eher so „Modell Elbkahn“, fuhr er fort und kicherte. Er hatte seine alte Ironie wieder. Ein halbes Jahr seien sie „nur so“ befreundet gewesen, dann habe sich die Liebe ergeben. Wir drehten noch eine zweite Runde um den Neuen See. Das Thema Angela Merkel hatte sich in milde Abendluft aufgelöst.

Am nächsten Morgen kam ich in die Redaktion. Bei der Kollegin K. lag ein Stadtmagazin auf dem Tisch, der Titel lautete „Frischfleisch“. Es ging um ältere Frauen und ihre jüngeren Liebhaber und dass das jetzt der Trend sei und so weiter. „Die Story ist so was von abgestanden!“, lästerte K. Sie erlebt selbst gerade die zweite Liebe mit einem um zehn Jahre jüngeren Mann, diesmal ein DJ aus einem hiesigen Szeneclub. „Aber das Alter ist immer Zufall gewesen, ich schwöre es“, sagt K., „mit diesen Klischees habe ich nichts zu tun.“ Genau. Und ich würde natürlich nicht wirklich Angela Merkel wählen. War nur so eine Schnapsidee. Ich stimme vielleicht doch wieder für die Grünen. Trotz Joschka Fischer. Und kein Wort mehr über alte Männer und junge Frauen.

Fragen zu Trophäenfrauen? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Maußhardt über KLATSCH