Ausgefallene Welten Part V : Anekdoten zur Regionalliga – mal ganz persönlich
„Der Penny, ach der Penny, weißt du noch damals. Vier Uhr morgens im Klubhaus. Der Penny an der Theke. Ein Kurzer nach dem Anderen. Der Boss hat uns damals alle frei gehalten. Kam ja oft vorbei.“ Am nächsten Tag musste der „Penny“ dann wieder gegen den Ball treten. „Den haben die kurz vor Anpfiff unter die kalte Dusche gestellt, der beste Mann auf dem Platz...“ Keine Familienfeier ohne Anekdoten über den „Penny“, das einzige Fußballidol meiner Heimatstadt. Der „Penny“ ist übrigens Franz Islacker. In den 50ern stürmte er für Rot-Weiß Essen. An der Seite seines Kumpels Helmut „Boss“ Rahn. Gemeinsam schossen sie RWE zum Pokalsieg 1953 und zur einzigen Deutschen Meisterschaft 1955. Islacker traf beim 4:3 im Finale gegen Kaiserslautern dreimal – vor 80.000 Zuschauern im Niedersachsen-Stadion. Eigentlich war „Penny“ auch für das Wunder von Bern vorgesehen. Doch der Eigenbrödler fühlte sich in der Nationalelf nie richtig wohl.
In den frühen 60er Jahren ließ „Penny“ Islacker seine Karriere beim SV Neukirchen ausklingen. Zweite Liga West. Verdammt hoch für den Zechen-Verein aus der 25.000-Einwohner-Stadt. Mit der Einführung der Bundesliga und den Subventionskürzungen in der Steinkohle begann der Abstieg. Als ich in den 80ern in der Jugend beim SVN kickte, hielt sich der Verein immerhin noch in der Landesliga, mittlerweile ist es die Kreisliga A. Und auch der „Penny“ ist schon lange tot. Am 1. Juli 1970 starb er.
Warum muss es auswärts eigentlich immer regnen? Warum sind die Stadien nie überdacht? Und warum tut man sich das immer wieder an? Der Winter 1992 war kein schöner. Der 11. Dezember war besonders hässlich. Es schüttete, es peitschte, es zog im Wattenscheider Lohrheidestadion. Wir standen knietief in der Matsche, der Toilettenwagen hatte auch schon aufgegeben. Egal, heute galt es für den VfL Bochum. Das erste Auswärtsspiel in der eigenen Stadt. Die Wattenscheider wollten es so. Souleymann Sané schenkte dem VfL in der ersten Halbzeit zweimal ein. Danach passierte nichts mehr. Der Regen hielt an, die Kleidung hielt nicht. Und wir erholten uns von dem Schock nie wieder. Der VfL stieg erstmals ab und ich besuchte die Lohrheide nie mehr.
Warum es aber in der kommenden Saison in Wuppertal regnete, wusste keiner. Frühling, Sonne, Radrennbahn – den Aufstieg vor Augen. Da verschmerzt man auch schon einmal einen völlig verdienten 0:3-Rückstand. Wetterfühlige Menschen hätten in der 75. Minute den Heimweg angetreten. Ich blieb und ließ mich von einem wunderbaren Sommergewitter wegblasen. Der Aufstieg blieb ungefährdet, der Wiederabstieg in der folgenden Saison auch.
Rot-Weiß Oberhausen: Mit dem Schiff ins Niederrhein-Stadion, über den Rhein-Herne-Kanal. Netter Versuch. Die Hinfahrt war okay. Nieselregen und Sonne. Meist unter Deck. In Oberhausen gab es ein 1:6. Zurück ging es mit dem Zug. Nass waren wir trotzdem.
Mit dem 4:3 des VfL Bochum bei Fortuna Düsseldorf verhält es sich wie mit der Entführung der Landshut in Mogadischu 1977. Jeder war dabei, oder kennt zumindest jemanden, der dabei war. Wird schwierig: 11.000 Zuschauer finden sich am 32. Spieltag der Saison 1990/91 im Rheinstadion ein. Rolf Schafstall hatte kurz zuvor Reinhard Saftig als Trainer abgelöst. Nur ein Punkt bis zu den Abstiegsplätzen. Nach eine halben Stunde liegt der VfL mit 0:3 zurück. Abstieg? Wende! 3:1 Michael Rzehaczek (36.), 3:2 Josef Nehl (48.), 3:3 Dirk Helmig (67.), 3:4 Frank Heinemann (69. Foulelfmeter). Der Gästeblock bebt, rockt, feiert. Ich hab übrigens am Radio geweint. Ganz ehrlich. Zu Preußen Münster fällt mir nix ein. HOLGER PAULER