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taz FUTURZWEI

Aus dem Magazin taz FUTURZWEI Mein Rechtsdrall

Arno Franks Tochter nennt ihn rassistisch, klassistisch und transphob. Zurecht? Befindet er sich etwa auf dem Schleichweg in den Faschismus?

Ist der Autor möglicherweise ein paar Mal zu häufig rechts abgebogen? Foto: Payam Moin Afshari/Unsplash

taz FUTURZWEI | Keine Ahnung, wann das angefangen hat mit meinem Schleichweg in den Faschismus. Jedenfalls bescheinigt mir meine Tochter, 16, schon länger einen „Rechtsdrall“, womöglich zu Recht.

Erstmals verwendete sie diesen Begriff, als sie mir ein Referat über den Unterschied zwischen Burka, Niqab und Hidschab vorlesen wollte – und ich langsam wegdämmerte. „Sollen sie sich verhüllen, wie sie wollen“ sagte ich irgendwann, „mir egal. Ich muss nicht auch noch lernen, wie der Quatsch heißt.“

Ähnlich, führte ich weiter aus, verhalte es sich mit Schiiten und Sunniten. Ich wisse zwar, dass es diese Glaubensrichtungen gebe. Wie bei Stalagmiten und Stalaktiten könne ich mir aber auch hier den Unterschied nicht merken. Hat mit meiner Lebenswelt nichts zu tun, finde ich nicht interessant.

Meine Tochter fand das islamophob und trollte sich. Ich rief ihr hinterher, dass wir uns bei Gelegenheit gern mal über die feinen Unterschiede zwischen Hussiten, Waldensern, Presbyterianern und Calvinisten unterhalten könnten.

Machte die Sache nicht besser.

Bald darauf gab es bei uns auf der Straße eine üble Prügelei. Wir konnten vom Wohnzimmerfenster zusehen, wie die ethnisch leider recht homogene und nur allzu gern in zweiter Reihe parkende Laufkundschaft des Wettbüros irgendwelche Fehden austrug. Bald waren Polizei und Notarzt zur Stelle. Die Polizei versuchte, die verfeindeten Gruppen voneinander zu trennen.

Die Tochter, vom Tumult alarmiert, trat hinzu und wollte wissen, was denn da los sei. Ich sagte – wie ich glaubte – wertungsfrei und wahrheitsgemäß, dass hier „unsere maghrebinischen Freunde gerade einen Zwist regeln“. Meine Tochter fand das rassistisch, worauf ich, die Evidenz des Faktischen auf meiner Seite wähnend, nicht ohne Theatralik aus dem Fenster deutete und fragte, ob die Kombattanten etwa nach Sven-Erik, Lars oder Tobias aussähen.

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Machte die Sache nicht besser und mir lange zu schaffen. Als mir endlich, immerhin aus eigener Kraft, mein Denkfehler dämmerte und ich einräumte, bei meiner etwas übereilten, allzu launigen und in Teilen vielleicht wirklich rassistisch angekränkelten Einschätzung der Lage „damals, als es diese Prügelei gab auf der Kreuzung“, die sozialen Aspekte nicht berücksichtigt habe, fand meine Tochter das klassistisch.

Machte die Sache nicht besser.

Andermals erzählte meine Tochter empört, eine non-binäre Freundin sei im Bus mit dem falschen Pronomen angesprochen worden: „Dabei will sie nicht mehr als Mädchen gelesen werden!“ Worauf ich leichthin zu bedenken gab, dass nur gelesen werden könne, „was nun einmal geschrieben steht“, das Zeichenhafte einer äußeren Erscheinung gewissen Missverständnissen vielleicht Vorschub leiste, ein X also durchaus als U „gelesen“ werden wolle, nicht aber in jeder Situation darauf vertrauen könne, dass die Leserin oder der Leser, um im Bild zu bleiben, über private und sicherlich ebenso begründete wie berechtigte Umwidmungen bewährter Buchstaben jederzeit im Bilde ist. Meine Tochter hörte sich das geduldig an und verkündete, fein, nun sei ich auch noch transphob.

Machte die Sache nicht besser.

Neulich begleitete ich eine enge Verwandte zum Jobcenter. Die schwangere Sachbearbeiterin ist eine 28-jährige Ukrainerin mit selbstermächtigten Nacktschneckenlippen, Sonnensegelwimpern und angeklebten Luxuskrallen. Meine enge Verwandte verdient genau zwei Euro zu viel, um in den Genuss eines „Wohnberechtigungsscheins“ zu kommen. Das Dokument würde es meiner engen Verwandten immerhin ermöglichen, weiter den absurden Traum von einer bezahlbaren Wohnung zu träumen.

„Was würden Sie denn an meiner Stelle tun?“, fragte sie die Sachbearbeiterin. Worauf ihr die Ukrainerin riet, von Frau zu Frau, doch eine Wohnungsanzeige „mit Foto“ zu schalten. Ob sich da nicht reichlich creepy Männer melden würden, wollte meine enge Verwandte wissen. Schon, sagte die Sachbearbeiterin. Bei ihr habe das aber am Ende geklappt: „So habe ich letztes Jahr meinen Mann gefunden. Und im Herbst“, sie tätschelte ihren Bauch, „ist es so weit!“

Nachdem wir herzlich gratulierten und mit leeren Händen nach Hause geschickt wurden, sagte meine enge Verwandte gewisse Dinge, die als slawophobe sowie sexistische Herabwürdigung von Sexarbeiterinnen gelesen werden könnten. Ich tadelte sie matt und bat darum, nichts davon meiner Tochter zu erzählen.

Das würde die Sache nicht besser machen.

■ Dieser Beitrag ist im Magazin taz FUTURZWEI erschienen. Lesen Sie weiter: Die aktuelle Ausgabe von taz FUTURZWEI N°30 gibt es jetzt im taz Shop.